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Wolfsbrut

Wolfsbrut

Titel: Wolfsbrut
Autoren: Whitley Strieber
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verabschiedeten sich mit dem Mikrofonsignal, und Dick richtete sich ein, so gut er konnte. Er sah gerade noch einmal durch die Kamera, als er hinter sich einen gedämpften Knall hörte. Die Tür? Er drehte sich um. Es stand zehn Schritte entfernt. Es atmete hechelnd, als wäre es gerade die ganze Treppe heraufgerannt. Dick sprang auf und betätigte die Kamera. Dann bewegte das Tier sich, und er schleuderte die Kamera nach ihm. Die Maschine prallte gegen seine Flanke und rollte weg. Es griff nicht an, wahrscheinlich weil er so dicht am Rand war, daß sie bei einem direkten Angriff beide abgestürzt wären. Es bewegte sich rasch, lief selbst zum Rand und bewegte sich parallel zu ihm. Er wollte nach der Ingram greifen, als es ihn ansprang. Er schnellte zur Seite, rutschte auf dem Eis aus und schlitterte halb über den Rand. Aber der Werwolf auch, er war nur wenige Schritte entfernt, so nahe, daß Dick sein Gesicht sehen konnte.
    Sie hingen da; das Tier hatte die Vorderpfoten ins Eis gepreßt, er hielt sich mit den Armen fest. Die Augen sahen ihn mit einem haßerfüllten Blick an, wie er ihn schrecklicher noch niemals gesehen hatte. Diese Augen sahen hierhin und dorthin, schätzten ab, suchten den entscheidenden Vorteil, der Dick Neff töten und dem Werwolf selbst das Leben retten würde.
    Behutsam, ohne auf die Leere unter seinen Füßen zu achten, bewegte Dick den Arm in Richtung der 38er, die er in einer Tasche hatte. Dies war seine Chance, seine einzige Chance. Er wollte so verzweifelt leben und nicht abstürzen! Der wenige Zentimeter hohe Betonrand war das einzige, das ihn festhielt, und er hielt ihn mittlerweile nur noch mit einer Hand fest.
    Die Kreatur versuchte sich hochzuziehen; es gelang ihr nicht, und sie blieb still. Sie fletschte die Zähne und gab ein leises, gräßliches Geräusch von sich. Der Blick folgte Dicks Handbewegung, und plötzlich begriff es. Jetzt glitt es seitlich am Rand entlang und überbrückte Zentimeter für Zentimeter die Entfernung zwischen ihnen. Da er sich nur mit einem Arm festhielt, konnte Dick nur bleiben, wo er war. Und das fiel ihm ziemlich schwer. Er schluchzte laut. Wogen der Erschöpfung liefen durch den Arm, an dem sein Leben hing.
    Jetzt war das Ding so nahe, daß er seinen durchdringenden Tiergeruch riechen und die scharfen Zähne sehen konnte, die im Maul mahlten. Er packte die 38er, riß den Arm hoch, feuerte, spürte schreckliche Schmerzen und versuchte noch einmal, den Abzug zu betätigen. Aber es gab nichts zu betätigen - seine Hand war nicht mehr da. Blut schoß aus dem Stumpf und dampfte in der Kälte. Er sah mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen seine Hand, die noch die Pistole hielt, im Maul der Kreatur baumeln. Dann fing sein Sterben an.
    Als sein Sturz anfing, empfand er Angst, dann etwas anderes, eine riesige, allumfassende Traurigkeit, so groß, daß sie einem Hochgefühl gleichkam. Sein Körper schlug auf dem harten Eis der Gasse auf, und er war sofort tot. Wenige Augenblicke später prallte seine Hand neben ihm auf den Boden.
    Hoch über ihm zuckte auch der Alte Vater im Todeskampf. Er hatte die Hand gerade, gerade noch abgebissen, als die Waffe gefeuert hatte. Er verspürte einen stechenden Schmerz im Kopf, und ein Auge war geschlossen. Dort war die Kugel vorbeigeheult und hatte Auge und Stirn gestreift. Seine Vorderpfoten wurden müde, und er konnte sich nicht über den Rand ziehen, ohne einen Sturz zu riskieren. Aber er wollte sich nicht hochziehen, er hatte den höchsten Balkon gesehen, der nicht weit entfernt war; er konnte es bis dorthin schaffen und sich auf ihn fallen lassen.
    Als er dort landete, blieb er benommen stehen und schüttelte den Kopf. Es sah aus, als würde das Auge nicht mehr funktionieren. Nun gut, er würde seine Aufgabe mit nur einem Auge vollenden. Er würde seine Familie und das Geheimnis seiner Rasse retten. Jetzt wußte er es, er würde siegen.
    Er kletterte langsam und vorsichtig die Balkone hinunter, schlimmer verwundet, als er wissen konnte, bis er den entscheidenden Balkon erreicht hatte. Dort kauerte er und atmete den dreckigen Geruch der beiden ein, die noch am Leben waren und direkt hinter dem Glas warteten.

12
    »He, Becky, ich habe ein Problem.« Sie kam zu ihm. »Er beantwortet das Signal nicht.«
    »Interferenz?«
    »Glaube ich nicht.« Er drückte den Mikrofonknopf zweimal. Keine Antwort. Er stellte Sprechverbindung her. »Aufwachen, Dick. Sie müssen antworten, sonst weiß ich nicht, ob Sie noch da sind.«
    Nur das
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