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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
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kämpfen dürfe, und Wolfsblut hatte die Lektion zwar wohl begriffen, aber es kam ihn doch hart an, gleichmütig an der Schenke vorüberzukommen. Allerdings scheuchte sein Knurren die drei Hunde nach dem ersten Ansturm zurück, aber sie rannten mit wütendem Gebell noch eine lange Weile hinter ihm her, und das ärgerte und kränkte ihn.
    Eine lange Zeit ertrug er alles ruhig, dann fingen die Leute in der Schenke an, die Hunde auf ihn zu hetzen. Als sie dies eines Tages ganz offen taten, hielt der Herr den Wagen an und rief Wolfsblut zu: »Nimm sie!« Dieser jedoch wollte es nicht glauben. Er blickte den Herrn an, dann die Hunde und schaute wieder fragend und eifrig zum Herrn zurück.
    »Nimm sie, mein Alter!« sagte er und nickte mit dem Kopf. »Friß sie auf mit Haut und Haar.«
    Da zögerte Wolfsblut nicht länger. Er kehrte um, und ohne einen Laut sprang er unter die Feinde. Alle drei griffen ihn an. Ein furchtbares Knurren und Grollen ließ sich hören, die Zähne blitzten, die Leiber drehten sich wild durcheinander. Der Staub auf der Straße erhob sich in dichten Wolken und verhüllte den Kampf, aber nach wenigen Minuten lagen zwei Hunde in den letzten Zügen am Boden, und der dritte hatte eilig die Flucht ergriffen. Wolfsblut folgte ihm mit Wolfeseile und nach Wolfsart rasch und lautlos über einen Graben.

 
VIERTES KAPITEL
     
Die Stimme des Blutes
     
    Die Monate kamen und gingen. Es gab im Lande des Südens reichliches Futter und wenig Arbeit, und Wolfsblut lebte im Überfluß und war zufrieden. Nicht nur war das Land der geographischen Lage nach Süden, sondern für ihn war es auch ein Südland des Lebens. Menschliche Güte war ihm eine leuchtende Sonne geworden, und er gedieh unter ihrem Strahl wie eine Pflanze in gutem Boden.
    Dennoch war und blieb er anders als andere Hunde. Er kannte die Regeln und Gesetze des zivilisierten Lebens besser als die, die kein anderes Leben gekannt hatten, und er beobachtete sie auch strenger, aber es lauerte noch etwas Wildes in seinem Wesen, als sei das Leben der Wildnis noch nicht in ihm erstorben, als schliefe nur der Wolf in ihm. – Nie befreundete er sich mit anderen Hunden; so einsam, wie er gelebt hatte, lebte er auch weiter. In seiner Jugend hatte er durch die Verfolgung Liplips und der jungen Hunde eine entschiedene Abneigung gegen seinesgleichen gefaßt. Der natürliche Lauf seines Lebens war abgelenkt worden, und er hatte sich, von den Seinen zurückgestoßen, an den Menschen angeschlossen. Auch blickten die Hunde des Südlandes mit Argwohn auf ihn. Er weckte die instinktmäßige Furcht vor der Wildnis in ihnen, und sie begrüßten ihn stets mit Geknurr und mit Brummen in feindseliger Haltung. Er sah jedoch bald ein, daß er ihnen nur die Zähne zu zeigen brauchte. Seine drohende Miene genügte, um einen mit lautem Gebell auf ihn losstürmenden Hund zu schleunigem Rückzug zu bringen.
    Aber einen dunklen Punkt gab es in Wolfsbluts Leben, und das war Collie. Sie ließ ihn keinen Augenblick in Frieden. Sie beugte sich unter das Gesetz nicht so gehorsam wie er. Sie widerstand allen Bemühungen des Herrn, sie mit Wolfsblut zu befreunden. Ihr scharfes, gereiztes Knurren verfolgte ihn überall. Sie konnte ihm den Mord der Hühner nie vergeben, und sie hielt hartnäckig an dem Glauben fest, daß er schlimme Absichten habe. In ihren Augen war er von vornherein schuldig, und demgemäß behandelte sie ihn. Sie wurde ihm zur Qual seines Lebens, sie folgte ihm wie ein Häscher überall hin, um die Ställe und in den Garten, und wenn er ein Täubchen oder ein Hühnchen nur neugierig anblickte, so erhob sie ein lautes, wütendes Gebell. Gewöhnlich nahm er von ihr keine Notiz; doch trieb sie es zu arg, so legte er den Kopf auf die Vorderpfoten und tat, als schliefe er. Dies schloß ihr dann den Mund.
    Mit Ausnahme von Collie ging alles gut für Wolfsblut; er lernte Selbstbeherrschung und Gehorsam, und die Folge davon war ein gesetztes, anständiges Benehmen und philosophische Ruhe. Er lebte nicht mehr in einer ihm feindseligen Umgebung. Gefahr, Schmerz und Tod lauerten ihm nicht mehr überall auf. Mit der Zeit verblaßte die Idee des Unbekannten als etwas, das schreckt und droht, und das neue Leben wurde sanft und leicht. Es floß glatt dahin, keine Angst vor Feinden beunruhigte ihn. Ohne sich dessen bewußt zu werden, vermißte er nur den Schnee. Hätte er seinen Gedanken Worte verleihen können, so hätten sie gelautet: »Was für ein ungewöhnlich langer Sommer!« Aber
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