Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
Vom Netzwerk:
es geschah doch in unbestimmter, unklarer Weise, daß er den Schnee vermißte. Im Sommer, wenn er unter der heißen Sonne litt, trieb ihn eine unklare Sehnsucht nach dem Lande des Nordens ruhelos und rastlos umher, ohne daß er eigentlich wußte, was ihm fehlte.
    Es war ihm nicht gegeben, seine Liebe sehr zu zeigen; nur durch Anschmiegen und den kosenden Ton in seinem Grollen konnte er ihr Ausdruck geben, aber er sollte noch eine Äußerung dafür lernen. Er war stets empfindlich gegen das Gelächter der Menschen gewesen. Es hatte ihn wütend, ja rasend gemacht. Auf den Gebieter nur konnte er nicht böse werden, wenn dieser in gutmütig neckender Weise ihn auslachte. Zwar wußte er dann nicht, was er tun solle, denn der frühere Ärger stieg in ihm auf, konnte jedoch nichts gegen die Liebe machen. Da er nicht ärgerlich werden konnte, so versuchte er es mit der Würde; aber je gravitätischer er wurde, desto ärger lachte der Herr. Endlich gab er es auf, öffnete den Mund ein wenig, so daß die Lippen sich teilten, während ein sonderbarer Ausdruck in seine Augen kam, der mehr von Liebe als von Vergnügen an sich hatte, und so hatte er lachen gelernt.
    Ebenso lernte er auch mit dem Herrn tollen, indem er zur Erde geworfen und herumgekollert wurde und zahllose ähnliche Spaße hinnehmen mußte. Dann stellte er sich zornig, sträubte das Haar, knurrte ingrimmig und schnappte mit den Zähnen, als ob es ihm völlig Ernst sei. Aber er vergaß sich nie. Stets schnappte er in die leere Luft, und am Ende des Spiels, wenn Schlag und Puff und Knurren und Zähnefletschen schnell und anscheinend wütend ausgetauscht worden waren, dann pflegten Herr und Hund plötzlich innezuhalten, in geringer Entfernung voneinander schauten sie sich gegenseitig an, und dann, wie wenn die Sonne aus stürmischem Meer emporstieg, lachten sie. Das Ende vom Liede war, daß der Herr Wolfsblut die Arme um den Hals und die Schultern legte und daß dieser sein Liebesgrollen anstimmte.
    Niemals jedoch gestattete Wolfsblut, daß ein anderer mit ihm tollte. Dann ging er aus seiner Würde nicht heraus, und setzte man ihm zu sehr zu, so war sein Knurren und sein gesträubtes Haar kein Spaß mehr. Daß er dem Herrn dies erlaubte, war noch kein Grund, daß er sich mit jedermann gemein machen, einen jeden liebhaben und mit jedermann zum Zeitvertreib tollen sollte. Er liebte nur einen, und sich und seine Liebe wollte er nicht herabwürdigen.
    Der Herr ritt sehr viel aus, und Wolfsbluts Hauptbeschäftigung war, ihn auf seinen Ritten zu begleiten. Im Nordland hatte er seine Dienstbarkeit als Zugtier bewiesen, aber hier im Süden gab es weder Schlitten, noch trugen die Hunde Lasten auf dem Rücken. So diente er dem Herrn dadurch, daß er neben dem Pferd herlief. Doch selbst der längste Ritt ermüdete Wolfsblut nie. Mit dem echten Wolfsschritt, leicht, mühelos nur gleitend, pflegte er nach einem zehn Meilen langen Lauf frisch und munter dem Pferd voranzutraben.
    Bei einem dieser Ritte fand Wolfsblut noch eine Äußerung seiner Gefühle, und das Merkwürdige dabei war, daß er diese nur zweimal im Leben anwandte.
    Das erstemal geschah es, als der Herr einem mutigen Vollblut beizubringen versuchte, wie man Gattertüren, ohne abzusteigen, öffnen und schließen könne. Immer wieder brachte er das Pferd an das Tor, um es zu schließen, aber jedesmal scheute es, bäumte sich und sprang zurück. Es wurde unruhiger, denn der Herr setzte ihm, wenn es sich bäumte, die Sporen ein, worauf es die Vorderbeine auf die Erde stemmte und mit den Hinterbeinen ausschlug.
    Wolfsblut beobachtete den Vorgang mit wachsender Unruhe, endlich konnte er sich nicht länger halten und brach in wildes, drohendes Gebell aus. Oft versuchte er hernach noch zu bellen, der Herr ermunterte ihn sogar dazu ohne daß es ihm gelingen wollte; nur einmal noch gelang es ihm, und dann nicht in Gegenwart des Herrn. Als der einst über ein Feld ritt, hüpfte plötzlich ein Kaninchen dicht vor den Füßen des Pferdes auf. Dieses sprang zur Seite, stolperte, fiel, und ein Beinbruch des Herrn war die Folge. Wolfsblut sprang wütend dem Pferde an die Kehle, aber ein Wort des Herrn rief ihn zurück.
    »Geh nach Hause! Nach Hause!« gebot er ihm, als er sich von der Art der Verletzung überzeugt hatte. Aber Wolfsblut hatte keine Lust, ihn zu verlassen. Der Herr dachte daran, einen Zettel zu schreiben, suchte aber vergebens in der Tasche nach Bleistift und Papier. Wieder gebot er Wolfsblut, nach Hause zu gehen.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher