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Wolfsblut

Wolfsblut

Titel: Wolfsblut
Autoren: Jack London
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die Luft ein, die ihm Kunde von der Gegenwart eines Fremden brachte. Auch schlugen Laute an sein Ohr, welche die Gegenwart eines solchen verrieten. Er bellte nicht, das war nicht seine Manier, und wenn der Fremde leise schlich, so war er noch leiser, denn er hatte keine raschelnden Kleider an. Lautlos folgte er jenem, denn in der Wildnis hatte er unsäglich scheues Wild gejagt, er kannte die Vorteile des Überfalls. Der Fremde blieb am Fuße der großen Treppe stehen und lauschte, als er wartend dastand, und ebenso still und regungslos stand Wolfsblut und wartete auch. Die Treppe hinauf ging es zu dem Gebieter und zu denen, die ihm das Liebste auf der Welt waren. Wolfsbluts Haar sträubte sich, als er so wartete. Da hob der Fremde den Fuß empor und setzte ihn auf die erste Stufe. Auch Wolfsblut sprang in die Höhe. Ohne einen warnenden Laut, ohne Knurren, schoß er hoch durch die Luft auf die Schultern des Fremden herab und senkte die Zähne in dessen Nacken. Es dauerte nur einen Augenblick, dann hatte er den Mann hintenüber zu Boden gerissen, und zurückspringend griff er ihn sogleich, als jener sich aufgerafft hatte, wiederum an.
    Ganz Sierra Vista erwachte durch den Lärm. Es erhob sich unten ein Getöse, als ob eine Schar Dämonen miteinander kämpfte, und dazwischen ertönten die Schüsse eines Revolvers und die Stimme eines Menschen, der in Todesnöten schrie, begleitet von einem lauten, ununterbrochenen Knurren und Grollen, das sich in das Geklirr und Geknatter zerschmetterter Möbel und zerbrochenen Glases mischte.
    Allein fast ebenso schnell, wie der Lärm entstanden war, erstarb er auch, denn der Kampf hatte nicht länger als drei Minuten gedauert. Die erschrockene Familie versammelte sich oben an der Treppe. Von unten wie aus dem Abgrund kam ein gurgelnder Laut herauf, als ob Luftblasen im Wasser emporstiegen. Dann verwandelte sich der Ton in zischendes Pfeifen; auch dieses ward immer leiser und hörte bald ganz auf. Darauf ertönte nichts mehr in der Finsternis als ein schweres Keuchen, wie wenn ein Erstickender nach Luft ränge.
    Weedon Scott drückte auf den Knopf der elektrischen Leitung, und Treppe und Hausflur lagen im Nu im hellen Lichte da. Dann stieg er mit dem Richter und mit dem Revolver in der Hand vorsichtig die Treppe hinunter. Allein diese Vorsicht war nicht nötig. Wolfsblut hatte seine Arbeit getan. Denn unter den umgeworfenen Möbeln lag auf der Seite und das Gesicht unter dem einen Arm verborgen ein Mensch. Weedon Scott beugte sich über ihn, schob den Arm zurück und drehte das Gesicht des Mannes aufwärts. Eine klaffende Wunde am Halse zeigte, wie er den Tod gefunden hätte.
    »Jim Hall«, sagte Richter Scott, und Vater und Sohn blickten sich bedeutsam an. .
    Dann wandten sie sich zu Wolfsblut. Auch er lag auf der Seite, seine Augen waren geschlossen, aber er hob die Lider ein wenig, als die beiden Männer sich über ihn beugten, und sein Schwanz bewegte sich zu einem Wedeln. Weedon Scott streichelte ihn, aus Wolfsbluts Hals stieg als Antwort ein Grollen empor, doch leise nur und schwach, und schnell erstarb es. Dann senkten sich die Augenlider, schlossen sich wieder, und der Körper streckte sich steif auf dem Boden aus.
    »Es ist aus mit ihm, dem armen Teufel!« murmelte sein Herr.
    »Das wollen wir doch sehen«, entgegnete der Richter und ging ans Telephon.
    Der Doktor kam und arbeitete anderthalb Stunden an Wolfsblut herum. »Wenn er durchkommt, so ist es ein Wunder«, sagte er. »Von Tausenden käme unter diesen Umständen kaum einer mit dem Leben davon.«
    Die Dämmerung schaute unterdessen durchs Fenster, und das elektrische Licht erschien dadurch trübe. Mit Ausnahme der Kinder war die ganze Familie um den Doktor versammelt, um seinen Ausspruch zu hören.
    »Ein Hinterbein ist gebrochen«, fuhr dieser fort, »sowie drei Rippen, von denen wenigstens eine in die Lunge gedrungen ist. Außerdem hat er fast alles Blut verloren und höchstwahrscheinlich noch innere Verletzungen davongetragen, denn er ist getrampelt worden, gar nicht zu reden von den drei Kugeln, die durch und durch gegangen sind. Tausend gegen eins ist noch eine zu optimistische Annahme, man sollte zehntausend gegen eins sagen.«
    »Aber nichts darf versäumt werden, um ihn durchzubringen«, rief der Richter aus. »Koste es, was es wolle. Durchleuchten Sie ihn mit Röntgenstrahlen – kurz, tun Sie Ihr möglichstes. – Weedon, telegraphiere sogleich nach San Franzisko an Doktor Nichols. – Nehmen Sie es nicht
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