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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Autoren: Andrew Offutt
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AUSSAGE VON
FURTWAN BEUTELSCHNEIDER, KAUFMANN
     
    Das erste, was mir an ihm auffiel, also mein erster Eindruck von
ihm war, daß er kein armer Mann sein konnte. Auch nicht ein
Junge oder ein Halbwüchsiger. Nicht bei all den Waffen, die er
trug. Von dem Chagringürtel, den er über einer
scharlachroten Schärpe – einer leuchtend scharlachroten
Schärpe! – trug, baumelte ein Krummdolch über seiner
linken und eins dieser Ilbarsi-›Messer‹, so lang wie ein
Arm, über seiner rechten Hüfte. Kein richtiges Schwert,
nein. Er ist bestimmt kein Soldat. Aber das ist noch nicht alles. Ein
paar von uns wissen, daß in seinen linken Halbstiefel eine
Scheide eingearbeitet ist. Das dünne Ding und der Messergriff
scheinen nur ein Schmuckstück zu sein. Ich habe gehört, wie
er eines Nachmittags im Basar dem alten Klumpfuß erzählt
hat, es sei das Geschenk einer Frau. Ich glaub’s nicht.
    (Irgend jemand hat mir erzählt, daß er noch ein
weiteres kleines Messer in einem Band an der Innenseite seines
Oberschenkels trägt, wahrscheinlich am rechten, was ziemlich
unbequem sein muß. Vielleicht ist das einer der Gründe
für den ihm eigenen Gang. Geschmeidig wie eine Katze und doch
gleichzeitig irgendwie steifbeinig. Der Gang eines Pfaus – oder
das Stolzieren eines Strichjungen.
    Erzählt ihm nicht, daß ich das gesagt habe!)
    Aber noch einmal zu den Waffen und meinem ersten Eindruck,
daß er nicht arm sein konnte. In einem Armreifen aus Leder und
Kupfer, den er um den rechten Oberarm trägt, trägt er ein
Wurfmesser, und ein anderes steckt in einem breiten Armband aus
schwarzem Leder am selben Arm. Beide sind kurz. Ich meine die Messer,
nicht die Armbänder oder die Arme.
    Schon diese ganzen Waffen genügen, um einen Menschen in einer
dunklen oder sogar in einer mondhellen Nacht das Fürchten zu
lehren. Stellt euch vor, ihr wärt im Labyrinth oder an einem
ähnlichen Ort, und aus dem Schatten kommt dieser junge Bandit
auf euch zustolziert, mit all den scharfen Klingen bestückt! Aus
dem Schatten, der ihn geboren hat, direkt auf euch zu. Das würde
sogar einem dieser Höllenhunde einen Schauder über den
Rücken jagen.
    Das war mein Eindruck. Nachtschatten. So angenehm wie die Pest
oder die Pocken.

Hanse Nachtschatten

 
Die Wüste
     
    Die Wüstenvölker nördlich von Freistatt nannten die
Sonne Vaspa. Das war gleichzeitig ihre Bezeichnung für
Dämon. Nun kannte Hanse den Grund.
    Er war noch nie zuvor durch die Wüste geritten und hoffte, es
auch nie wieder tun zu müssen, er wünschte sich sogar, er
hätte heute darauf verzichten können. Heute war die Sonne
ein Dämon, direkt aus der Heißen Hölle entsprungen.
Gestern war es genauso gewesen, und wahrscheinlich würde es auch
morgen wieder so sein. Es war so heiß, daß er beinahe
sehnsüchtig an die Kalte Hölle dachte, fast so heiß,
daß er sich einen Hauch der Kalten Hölle wünschte.
Fast.
    Aber sie bekamen ja jede Nacht die Kalte Hölle zu
spüren. Wie war es nur möglich, daß sich eine solche
Hitze so kurz nach diesen blutroten Sonnenuntergängen der
Wüste in mehr als eine Eiseskälte verwandeln konnte?
    Die Pferde und der Onager schleppten sich schwitzend dahin. Die
Reiter hingen schlaff in ihren Sätteln und schwitzten.
    Selbst der Boden würde schwitzen, dachte Hanse, wenn er nur
den Bruchteil eines Bruchteiles eines Tropfens Feuchtigkeit
enthielte, den er der gleißenden, sengenden und alles
austrocknenden Vaspa darbieten könnte. Er war sich ziemlich
sicher, daß sich selbst dieser endlose, gelbliche Sand in der
unbarmherzigen Hitze vor Schmerzen wand. Immer wieder glaubte er,
dieses Sich-winden sehen zu können, eine schlängelnde,
wellenartige Bewegung direkt über dem Boden (falls man dieses
gelbfarbene Zeug überhaupt als Boden bezeichnen konnte).
Besonders dort drüben, wo sich dieser lange, schlangenartige, zu
einem rasiermesserscharfen Kamm zusammengebackene Berg Sand, den man
eine Düne nannte, wie eine häßliche Mauer über
den endlosen Horizont zog.
    Vielleicht spielen mir auch nur meine Augen einen Streich, dachte er. Aber wahrscheinlich wird die Sonne, die auf diese
dreckige ›Landschaft‹ herunterbrennt und sich uns in die
Augen bohrt, uns beide sowieso erblinden lassen. Nein, uns fünf,
nicht nur Mignue und mich, sondern auch die Pferde und diesen
dämlichen Esel!
    Dieser dämliche Esel, der genaugenommen ein Onager war und
den seine Begleiterin Mignureal ständig
›Schätzchen‹ und den Hanse nur
›Blödarsch‹ nannte, suchte
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