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Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held

Titel: Diebeswelt Sonderband: Der dunkle Held
Autoren: Andrew Offutt
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machtlos war. Mignureal liebte ihn, seit sie
zwölf Jahre alt war, zumindest seit ihrem dreizehnten
Lebensjahr. Nun war sie sicher, daß er sie ebenfalls liebte. Es
war merkwürdig, gleichzeitig die Qual des Kummers und die Freude
erwiderter Liebe in seinem Herzen miteinander kämpfen zu
spüren. Sie liebte ihn, und er liebte sie, und doch waren sie
keine Liebhaber.
    Noch nicht, dachte Mignureal voller Vorfreude, während
ihr gleichzeitig Tränen der Trauer über die Wangen rannen.
Die Sonne ließ sie verdunsten, bevor sie ihr Kinn erreichen
konnten, und ließ kleine juckende Stellen auf ihrem Gesicht
zurück.
    »Mignue?« So nannte er sie, und nur er: Min-ju-ii.
    »Hmm?« Sie hielt den Blick weiter nach vorne gerichtet,
damit er ihre Tränen nicht sehen konnte.
    »Wie alt bist du?«
    »Achtzehn.«
    »Also, so was! Ich dachte, du wärst siebzehn. Ich
dachte, Mondblume hätte erst vor ein paar Monaten gesagt, du
wärst siebzehn.«
    »Nun… ich werde in drei Monaten achtzehn. In etwas
weniger als drei Monaten. Das ist genauso gut wie achtzehn«,
fügte sie hinzu und dachte, daß er sich vielleicht gerade
überlegte, sie heute nacht zu lieben.
    Sie wußte nicht, wie es war, sie wußte nicht, was sie
tun sollte, und das machte sie nervös. Sie wußte,
daß Hanse in dieser Beziehung Erfahrung hatte, daß er es
schon früher getan hatte. Dieser Gedanke half ihr – Er
kann mir beibringen, was ich nicht weiß, – und
verstärkte gleichzeitig ihre Unsicherheit – Er ist ein
erfahrener Mann von Welt, und was ist, wenn ich mich wie ein
unfähiger Dummkopf anstelle, wenn es zum… Klöppeln
kommt?
    Wenigstens war ihre Mutter nie so grausam gewesen, sie mit
Geschichten über es zu ängstigen. Sie wußte,
daß ihre Eltern es sehr gerne getan hatten, diese Sache
zwischen Mann und Frau, die man unter anderem mit dem Ausdruck
›klöppeln‹ umschrieb. Mignureal nahm an, daß sie
selbst es auch mögen würde, und sie war sicher, daß
Hanse es bereits mochte. Davon abgesehen wollte sie es ganz einfach
tun. Zusammen mit Hanse.
    »Wie alt bist du, Hanse?«
    »Was?« fragte er, um ein wenig Zeit zu gewinnen. Er gab
nicht gerne zu, was er auf eine solche Frage zugeben mußte,
denn es verriet zu viel über ihn.
    »Wie alt bist du?« fragte sie erneut.
    Während sie geradeaus auf nichts Besonderes starrte, denn das
war alles, worauf sie starren konnte, preßte sie ihre
Augenlider ganz fest zusammen, um das herauszudrücken, was sie
für ihre letzten Tränen hielt. Zumindest für
jetzt.
    »Ich weiß nicht.«
    »O Hanse«, sagte sie, denn sie wußte, daß er
aus dem falschen Ende der Stadt stammte, das Abwind genannt wurde,
und daß er seine Mutter, die offensichtlich nicht allzuviel mit
seinem Vater zu tun gehabt hatte, kaum gekannt hatte. »Du
mußt doch irgendeine Vorstellung haben. Bist du älter als
zwanzig?«
    »Ungefähr so alt«, sagte er und wand sich in
plötzlichem Unbehagen. »Vielleicht etwas älter.
Verdammt. Das einzige, was noch schlimmer ist, als auf einem Pferd zu
reiten, ist abzusteigen und zu laufen.«
    Hanses Alter war ein Thema, über das Mignureal lange
geschwiegen hatte. Doch aus verständlichen Gründen
mußte sie nun hartnäckig bleiben. Schließlich hatten
sie sich zusammengetan. Auf ihrem Weg nach Norden waren sie
völlig alleine, sie und ihr Mann. Sie wollte alles über ihn
wissen. War das etwa falsch? Sollte es nicht so sein?
    »Vielleicht aber auch etwas jünger?« fragte
sie.
    »Vielleicht. Ein wenig. Weißt du, ich habe siebzehn
Jahre mitgezählt. Dieser siebzehn Jahre bin ich mir sicher, aber
ich weiß nicht, wie alt ich gewesen bin, als ich die Feige
gestohlen habe.«
    Plötzlich drehte er sich in seinem Sattel herum, der wie eine
Wiege aus Holz geformt war, über die man Leder gespannt hatte,
am Sattelknauf und am hinteren Ende erhöht. Mignureal seufzte,
als er seine Hand an die Brauen über seine fast schwarzen Augen
legte, um besser im gleißenden Sonnenlicht sehen zu
können, das vom Sand reflektiert wurde. Sie war sicher,
daß er nur ihrer Frage auswich, aber natürlich mußte
sie sich ebenfalls umsehen. Sie konnte nichts erkennen. Nervös
ließ sie ihren Blick über Hanse gleiten.
    »Hanse?«
    Er zuckte die Achseln. »Ich dachte, ich hätte vorhin
irgend etwas gesehen. Ich wollte nichts sagen und mich dann
plötzlich in seine Richtung umsehen, um es zu überraschen,
falls da irgendwas sein sollte.«
    »Meinst du… Leute? Diese Wüstenräuber, von
denen uns der Viehhändler von Tempus erzählt
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