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Doener, Machos und Migranten

Titel: Doener, Machos und Migranten
Autoren: Betuel Durmaz
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Vorwort
    «Die Migranten». Geredet wird viel über sie. In den Medien, in der Politik, in den Schulen, an Stammtischen. Migranten müssen sich die hiesigen Werte aneignen, die Sprache lernen, sprich «integrationsbereit» sein.
    Aber wie sieht es mit der Integrationsbereitschaft der Mehrheitsgesellschaft aus? Wie offen ist Deutschland für Fremde? Und andersherum: Wie weit wollen sich Migranten überhaupt integrieren und wo erreichen sie eine Grenze, die sie nicht überschreiten möchten bzw. die auch von außen nicht überschritten werden darf?
    Wieso scheitern gerade so viele Migrantenkinder in deutschen Schulen? Funktioniert Schule mit ihren Integrationsbemühungen nicht oder gibt es ganz andere Komponenten, die das Scheitern bedingen? Liegen sie womöglich in der Lebensführung und den -vorstellungen der Migrantenkinder und ihrer Erziehungsberechtigten?
    Die immer wieder ins Feld geführte Pisa-Studie gibt da keine Antworten, sondern liefert nur beängstigende Zahlen. Hinter diesen Zahlen jedoch verbergen sich anonyme Schicksale. Einige von ihnen sollen in diesem Buch Gestalt gewinnen. Sie gewähren einen kleinen Einblick in die Probleme der Migranten an deutschen Schulen.
    Ich bin in Istanbul geboren und in Deutschland aufgewachsen, habe ausschließlich deutsche Schulen besucht, an einer deutschen Universität studiert, bin inzwischen verbeamtet, besitze einen deutschen Pass und mein Sohn ist Halbdeutscher. Bin ich durch all dies eine «richtige» Deutsche? Ist Deutschland mein Heimatland? Ich wünschte, ich könnte «Na klar, aber sicher doch!» antworten. Aber so einfach ist das nicht. Um in Deutschland wirklich eine Deutsche zu sein,reichen weder eine Verbeamtung noch ein deutscher Pass aus. Auch gut Deutsch zu sprechen und sogar Deutsch zu unterrichten, genügt nicht. Solange ich so heiße, wie ich heiße, und so aussehe, wie ich aussehe, werde ich für viele Deutsche nie eine von ihnen sein – zumal ich keine Christin bin und auch nicht die Absicht habe, eine zu werden.
    Bedeutet das im Umkehrschluss, dass ich mich als Türkin fühle? Ich wünschte, ich könnte auch hier «Na klar, aber sicher doch!» antworten, aber auch das ist nicht möglich. In der Türkei, meinem Geburtsland, fühle ich mich nicht als Türkin, sondern als Deutsche. Ein Paradox. In Deutschland fühle ich mich als Türkin, in der Türkei als Deutsche. Mit dieser gespaltenen Identität lässt es sich in manchen Situationen recht bequem leben. In anderen Situationen macht es betroffen.
    Beispielsweise dann, wenn ich mich bestens in die Familien- und Denkstrukturen meiner «Migrantenschüler» hineinversetzen kann, aber mit deutschem Arbeitsbewusstsein und Regeln, Verordnungen und Maßnahmen reagieren muss. Und wenn ich sehe, dass ich von den Eltern häufig als eine Art von Verbündete betrachtet werde, mich aber dennoch nicht verständlich machen kann, um zu erklären, was für die Kinder, die in Deutschland aufwachsen und leben, wichtig ist.
    Dieses Buch zeigt also eine ganze Reihe von konkreten Schicksalen und macht das Scheitern der Schüler und die Denkweisen, die dazu führen, nachvollziehbar. Es weist aber auch ermutigende Gegenbeispiele von Schülern auf, die es geschafft haben oder zumindest auf einem guten Weg sind.
    Gewarnt seien allerdings schon jetzt all jene Leserinnen und Leser, die von diesem Buch klare und allgemein gültige Antworten erwarten, denn diese habe ich bislang nicht gefunden. Und ich befürchte, es gibt sie auch nicht.

Meine Familie und ich – eine Zuwanderungsgeschichte
1. Fremdbestimmt und doch verbunden
    In islamischen Gesellschaften folgt die Ehe jahrhundertealten Traditionen. Im christlichen Kulturkreis wird im Allgemeinen der Begriff «Eheschließung» verwendet, im Islam trifft es der Begriff «Verheiratung» sehr viel besser. Die Tradition der Verheiratung geht in der Türkei bis ins Osmanische Reich zurück, das sich in seiner Blütezeit im 15./16. Jahrhundert über drei Kontinente erstreckte – vom Persischen Golf bis nach Ungarn und vom Nil bis zur Ukraine. Im Allgemeinen werden junge Menschen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen Schichtzugehörigkeit zusammenpassen, miteinander verheiratet. Allerdings müssen die Eheleute in spe der Verheiratung, im Türkischen «Görücü usulu», zustimmen: der Bräutigam persönlich, die Braut ebenfalls persönlich oder durch einen von ihr bestimmten Heiratsvormund.

    So gehen noch heute die Eltern eines jungen Mannes auf «Brautschau». Häufig übernimmt
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