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Pusteblume

Pusteblume

Titel: Pusteblume
Autoren: Marian Keyes
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    D as magere Mädchen am Empfang des Restaurants in Camden – einer Konstruktion aus Chrom und Glas – fuhr mit dem purpurfarbenen Fingernagel an den Namen auf der Liste entlang und murmelte: »Casey, Casey, wo bist du denn? Ah, hier, Tisch zwölf. Sie sind –«
    »– die erste?« beendete Katherine den Satz für sie. Sie war ziemlich enttäuscht, denn obwohl es ihr widerstrebte, hatte sie sich allergrößte Mühe gegeben, fünf Minuten zu spät zu kommen.
    »Sind Sie Jungfrau?« Die Purpurlackierte schwor offensichtlich auf Astrologie.
    Als Katherine nickte, fuhr sie fort: »Es ist Ihr Schicksal, krankhaft pünktlich zu sein. Finden Sie sich damit ab.«
    Ein Kellner mit Namen Darius, der sich seine Dreadlocks wie die Hepburn zu einem Knoten aufgesteckt hatte, führte sie zu dem reservierten Tisch. Katherine setzte sich, schlug die Beine übereinander, warf ihr zu einem gestuften Pagenkopf geschnittenes Haar aus dem Gesicht und hoffte, den Eindruck kühler Gelassenheit zu vermitteln. Sie tat, als studiere sie die Speisekarte, wünschte, sie würde rauchen, und nahm sich fest vor, das nächste Mal zehn Minuten zu spät zu kommen.
    Vielleicht sollte sie, wie Tara immer wieder anregte, zu den Anonymen Ordnungsfetischisten gehen.
    Kurz darauf erschien Tara – fast pünktlich, was nicht ihrem Wesen entsprach. Mit wogendem weizenblonden Haar und klappernden Absätzen kam sie über das Buchenparkett. Sie trug ein asymmetrisch geschnittenes Kleid, das den Glanz des Neuen hatte, nach viel Geld aussah und – leider – ein wenig spannte. Ihre Schuhe hingegen waren phantastisch. »Tut mir leid, daß ich nicht zu spät komme«, sagte sie. »Ich weiß, daß du dich lieber moralisch überlegen fühlst, aber der Verkehr hatte sich gegen mich verschworen.«
    »Da kann man nichts machen«, sagte Katherine ernst. »Laß es bloß nicht zur Gewohnheit werden. Alles Gute zum Geburtstag!«
    »Was ist da gut dran?« fragte Tara bekümmert. »Wie hast du dich an deinem einunddreißigsten Geburtstag gefühlt?«
    »Ich habe zehn Gesichtsmassagen gebucht«, bekannte Katherine. »Aber sei ganz beruhigt, du siehst keinen Tag älter aus als dreißig. Na ja, vielleicht einen Tag…«
    Darius kam eilfertig an den Tisch, um Katherines Getränkebestellung aufzunehmen. Als er Tara erkannte, erschrak er sichtlich. Nicht sie schon wieder, dachte er und machte sich stoisch darauf gefaßt, daß es ein langer Abend werden würde.
    »Was nimmst du?« fragte Tara Katherine. »Vino? Oder von dem harten Zeug?«
    »Gin Tonic.«
    »Klingt gut. Zwei Gin Tonic.« Tara rieb sich freudig erregt die Hände. »Und? Wo sind meine Buntstifte und mein Malbuch?«
    Tara und Katherine waren von Kindesbeinen an beste Freundinnen, und Tara achtete genau darauf, daß die Traditionen eingehalten wurden.
    Katherine schob ein bunt verpacktes Geschenk über den Tisch, Tara riß das Papier auf. »Von Aveda!« rief sie erfreut.
    »Aveda-Kosmetik sind Buntstifte und Malbuch der Frau über dreißig«, erklärte Katherine.
    »Manchmal vermisse ich die Buntstifte irgendwie«, sagte Tara nachdenklich.
    »Meine Mutter kauft dir zu jedem Geburtstag welche«, meinte Katherine.
    Tara sah erwartungsvoll auf.
    »Im übertragenen Sinn«, fügte Katherine schnell hinzu.
    »Du siehst toll aus.« Tara zündete sich eine Zigarette an und ließ neidisch ihren Blick über Katherines KarenMillen-Hosenanzug gleiten.
    »Du aber auch.«
    »Red keinen Scheiß.«
    »Doch. Dein Kleid ist super.«
    »Mein Geburtstagsgeschenk für mich selbst. Weißt du was?« Taras Gesicht überschattete sich. »Ich hasse diese Geschäfte, wo sie solche Spiegel haben, die nach vorn gekippt sind. Dann glaubt man, das Kleid macht einen gertenschlank und elegant. Wie eine Blöde denke ich jedesmal, daß es an dem raffinierten Schnitt liegt und es sich deshalb lohnt, sich in riesige Schulden zu stürzen, die man jahrelang abstottern muß.« Sie machte eine Pause und nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Und kaum bist du zu Hause und stehst vor einem Spiegel, der nicht nach vorn gekippt ist, dann siehst du aus wie Schweinchen Dick im Sonntagskleid.«
    »Du siehst nicht aus wie ein Schwein.«
    »Und ob. Und umtauschen kann ich es nur, wenn es einen Fehler hat. Ich habe gesagt, es hat alle möglichen Fehler, zum Beispiel sehe ich darin aus wie Schweinchen Dick im Sonntagskleid, aber sie haben gesagt, das zählt nicht. Nur wenn der Reißverschluß kaputt wäre, zum Beispiel. Jetzt, wo ich meine Visa-Karte ganz
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