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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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ihr schimmerndes Fell durch die Feuchtigkeit dunkel verfärbte.
    Vergnügt sog Jo den Duft frischen Heus ein, der sich mit dem warmen Pferdegeruch mischte. Dann trieb sie die nervöse kastanienbraune Vollblutstute vorwärts und redete dabei beruhigend auf sie ein. Magic Belle war das dritte von vier Pferden, die Jo an diesem Morgen bewegen musste, und außerdem ihr Liebling unter den sechsundachtzig Tieren, die die berühmte Kingsford Lodge ihr Zuhause nannten.
    Die Flanken der zweijährigen Stute schimmerten geheimnisvoll in der Morgendämmerung, und dank der großen weißen Blesse und den weißen Fesseln auf der linken Seite war die Stute deutlich von ihren nur schemenhaft auszumachenden Artgenossen zu unterscheiden.
    »Lässt Daddy sein Töchterlein wieder reiten?« Das höhnische Raunen kam von einem etwa zwanzigjährigen Reiter, der sich zu dicht an Magic Belle vorbeidrängte. Die junge Stute wurde unruhig. Hawk war ein schmuddeliger Gelegenheitsarbeiter und hatte schon häufiger bei Charlie ausgeholfen. Er wollte sich wohl für den Korb revanchieren, den Jo ihm gegeben hatte. Sie achtete jedoch nicht auf seine Sticheleien.
    Die sechzehnjährige Jo war ein ganzes Stück größer als der zu kurz geratene, gehässig dreinblickende Bereiter und hatte noch ein bisschen Babyspeck auf den Rippen. Aus ihrem ovalen Gesicht strahlten eindringlich zwei dunkelviolette Augen, die von dunklen Schatten betont wurden. Ihren nachlässig geflochtenen aschblonden Zopf hatte sie achtlos unter die Reitkappe geschoben.
    Jo strahlte – insbesondere in der Nähe von Pferden – eine überschäumende Lebensfreude aus. Das Reiten, die Pferde und die Arbeit auf der Rennbahn waren ihr Ein und Alles. Nun warf sie den Kopf zurück und lenkte Magic Belle um einen dampfenden Haufen Pferdeäpfel herum und auf Linda zu, die an diesem Morgen ihre Partnerin sein würde.
    Linda hielt Jillaroo, eine sanfte braune Stute, am Zügel, und plauderte gerade angeregt mit Jos Zwillingsbruder Rick. Dieser ließ sich nicht von den Mätzchen seines Reittieres stören. Prestigee, ein aufmüpfiger Dreijähriger, tänzelte herum, warf den Kopf hin und her und kaute an der Trense. In sicherem Abstand zu dem großen schwarzen Hengst blieb Jo stehen und rief nach Linda, die rasch in den Sattel stieg und näher kam.
    »Glaubst du, du kannst sie halten, Schwesterherz?«, hänselte Rick und grinste Jo frech an, ehe er sich wieder Linda zuwandte und sein Pferd mit einem Zungenschnalzen antrieb.
    »Das fragst ausgerechnet du! Bella macht mir keine Probleme«, erwiderte Jo, wobei sie den Stallnamen des Pferdes benutzte. »Wenigstens geht sie nicht ständig durch und hat keine vier linken Hufe.«
    Noch während sie das sagte, musste Rick Prestigee beruhigen, da der Hengst aus dem Tritt gekommen war.
    Prestigee war dafür berüchtigt, dass er immer sofort losstürmte, um die Bahnarbeit so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Bei einer langsameren Gangart stolperte er hingegen gern über die eigenen Hufe. Wenn er jedoch in einem Rennen die Möglichkeit zum Galopp erhielt, war er das trittsicherste Pferd, das man sich vorstellen konnte, und ließ die Konkurrenten mühelos hinter sich zurück. Dennoch musste er stets von einem Reiter mit Begleitpony auf die Rennbahn geführt werden.
    Lachend ließen Jo und Linda Rick und seinem Begleiter den Vortritt und folgten ihnen in sicherem Abstand.
    Eine eiskalte Brise schlug Jo ins Gesicht, während die kleine Gruppe auf die Allwetterbahn von Randwick zusteuerte. Der Wind drang durch ihre hellgraue Trainingsjacke und zerrte an ihren Beinen, die in engen Jeans und kniehohen Lederstiefeln steckten. Gesprächsfetzen der anderen Reiter drangen Jo ans Ohr, als sie mit ihren Begleitern über die dunkle Aschenbahn ritt. Die weißen Begrenzungszäune zu beiden Seiten leuchteten ihr aus dem Halbdunkel entgegen. Der Cheftrainer brüllte eine Anweisung. Jo rief einen Gruß hinüber. Wie immer übertrug sich die Energie von Pferden und Reitern sofort auf sie.
    Am anderen Ende der großen dunklen, von riesigen Stadionflutlichtern nur teilweise erleuchteten Fläche sah Jo schemenhaft ein paar sich rasch bewegende Schatten. Als Linda mit ihr die Kreuzung bei der Halbmeilen-Markierung erreichte, blieben sie stehen. Aus der Dunkelheit tauchten die Jockeys auf, tief über die Hälse ihrer Pferde gebeugt. Mit donnernden Hufen preschten sie vorbei und verschwanden wieder im Grau der Dämmerung. Die keuchenden Atemzüge der Pferde waren fast so
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