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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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Reitunfälle gesehen, um zu wissen, welch schwere Verletzungen man sich bei einem solchen Sturz zuziehen konnte. Außerdem war ihm klar, dass der Schock die größte Gefahr bedeutete. Wenn man nicht sofort etwas dagegen unternahm, konnte der Verletzte sterben, bevor er das Krankenhaus erreichte. Charlie erschien ganz ruhig – so, als leiste er bei einem ganz gewöhnlichen Unfall Erste Hilfe. Sicher war alles nur ein böser Traum, und er würde jeden Moment in der Sattelkammer aufwachen, wo er alle zu ihrer fleißigen Arbeit beglückwünschte.
    Nachdem der Sanitäter Rick eine Halskrause angelegt hatte, bandagierte er seine Schulter, um diese sowie seinen Hals ruhig zu stellen und so das Risiko weiterer Wirbelsäulenverletzungen zu verringern. Wegen des Verdachts auf Kopfverletzungen nahm er ihm die Reitkappe nicht ab. Dann wurde der Bewusstlose auf eine Trage gelegt und in den Krankenwagen gehoben. Möglicherweise gab es auch innere Blutungen, deshalb mussten beide Unfallopfer so schnell wie möglich ins Krankenhaus gebracht werden.
    »Vielen Dank«, sagte einer der Sanitäter zu Charlie, der ihm Platz machte, damit er Jo versorgen konnte. Allerdings blieb er ängstlich in der Nähe stehen und kam sich schrecklich überflüssig vor. Die Sorge hatte tiefe Falten in seine sonnengebräunten Wangen gegraben.
    »Gehen Sie, und setzen Sie sich zu Ihrem Sohn«, schlug der Sanitäter vor. Sie machten Jo transportfertig.
    Das Mädchen wurde auf die Trage gebettet. Sie stöhnte leise und schlug für einen Moment die Augen auf. Für einen kurzen Augenblick war Charlie erleichtert, doch schon in der nächsten Sekunde legte sich ihm eine eiskalte Hand ums Herz, als er in den Krankenwagen stieg und Ricks graues, regloses Gesicht sah. Er schien kaum zu atmen.
    »Bitte, lieber Gott, lass sie beide am Leben«, murmelte Charlie. Warum war er nur damit einverstanden gewesen, die Zwillinge auf der Rennbahn arbeiten zu lassen? Schließlich kannte er die Risiken und hatte unzählige Male miterlebt, wie schwer ein Jockey sich verletzen konnte. Er hätte auf Ninas Warnungen hören sollen.
    »Mr Kingsford, ich fürchte, wir können das Pferd nicht retten.«
    Verwirrt blickte Charlie in das Gesicht des Rennbahntierarztes. Vor lauter Entsetzen und Bestürzung hatte er Magic Belle völlig vergessen – das Pferd, das ihm eigentlich hätte Glück bringen sollen. Er schaute zu der Fuchsstute hinüber. Inzwischen hatte sie sich mühsam aufgerappelt und stand auf drei Beinen. Das vierte baumelte schlaff vom Rumpf. Charlie wusste genau, welche Schmerzen sie litt.
    »Tu, was du tun musst, Jack«, entgegnete er dem Tierarzt mit einem traurigen Nicken, bevor sich die Türen des Krankenwagens schlossen. Pferde ließen sich ersetzen, aber nicht das eigene Fleisch und Blut. Warum war er nur so ein leichtsinniger Narr gewesen? Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster und sah die Stute zu Boden sinken. Jack hatte sie rasch von ihrem Leiden erlöst.
    Charlie streckte die Hand nach Ricks Wange aus. Lieber Gott, mach, dass meine Kinder überleben.
    Der Krankenwagen verließ die Rennbahn von Randwick, und am Horizont erschien in goldener Pracht die Morgensonne.

2
    Nina Kingsford zog ihr rosa Bettjäckchen aus Angora fester über den Schultern zusammen. Nachdem sie ihr kastanienbraunes Haar glatt gestrichen und den Träger ihres elfenbeinfarbenen Nachthemdes aus Satin zurechtgerückt hatte, schenkte sie sich eine Tasse des frisch gebrühten Kaffees ein. Die edle Porzellankanne stand auf einem Frühstückstablett, das die Haushälterin gerade auf ihrem Schoß abgestellt hatte. Die Golduhr auf dem marmornen Kaminsims – ein relativ neues Geschenk von Charlie – schlug zehn Uhr.
    Nina gab zwei Stückchen Süßstoff und einen großen Klecks Schlagsahne in ihre Tasse, rührte zweimal um, steckte den schaumigen Löffel in den Mund und leckte ihn ab. Dann tunkte sie mit einem wohligen Seufzer ein kleines Stück Toast in ihren Kaffee und verfütterte es an den wuscheligen weißen Pudel, der eifrig japsend neben ihr auf dem Doppelbett lag.
    »Das ist für dich, Suzie Wong, Mamis kleiner Liebling. Sorgt Jackie nicht wundervoll für uns?«, meinte sie lächelnd, streichelte das Hündchen und spielte ein wenig an dem rosafarbenen Satinband in seinem lockigen Fell herum.
    Mit einundvierzig war Nina Kingsford noch immer eine schöne Frau, deren Haut selbst ungeschminkt in jugendlichem Glanz schimmerte. Unter dunkel nachgezogenen Brauen funkelten verführerische braune
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