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Wohin der Wind uns trägt

Wohin der Wind uns trägt

Titel: Wohin der Wind uns trägt
Autoren: Anne McCullagh Rennie
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ihr zu teilen.
    Allein die Vorstellung ließ Jos Herz schneller schlagen. Magic Belle, die ihre Aufregung spürte, begann zu tänzeln. Mit einem Seufzer kehrte Jo in die Gegenwart zurück und widmete sich wieder den Aufwärmübungen.
    »Hat Rick dich schon gefragt, ob du mit ihm ausgehen willst?«, erkundigte sie sich bei Linda.
    Die Mädchen schickten sich an, die Bahn zum zweiten Mal zu umrunden. Die Steigbügel waren so hoch an Bellas Flanken gegurtet, dass Jos Knie beinahe ihre Brust berührten.
    »Mehr oder weniger«, erwiderte die dunkelhaarige Siebzehnjährige mit einem verlegenen Lachen.
    »Wirst du ja sagen? Du weißt doch, dass er verrückt nach dir ist.«
    Der herzallerliebste Rick. Linda war das erste Mädchen, in das sich ihr eingebildeter Bruder ernsthaft verliebt hatte, und es störte ihn überhaupt nicht, dass sie fast zwei Jahre älter war und ihn um einen guten Kopf überragte. Auch Linda schien das nichts auszumachen.
    Gerade in diesem Moment kam Rick vorbeigetrabt. Die Zügel spannten sich, als Prestigee den Kopf zur Seite drehte und sich gegen Ricks Kommando wehrte. Obwohl Rick nur drei Minuten älter war als Jo, war er für sie stets der große Bruder gewesen. Von Geburt an hatten sie beide genau gewusst, was der andere dachte, und so hatte Jo ihm nicht eigens zu erzählen brauchen, dass die Arbeit auf der Rennbahn ihr großer Traum war. Er verstand sie. Ganz im Gegensatz zu Bertie, dem Ältesten der drei Kingsford-Geschwister, der immer launisch und eifersüchtig war. Mit seinen neunzehn Jahren studierte er Jura an der Universität von Sydney, verspottete Jo aber weiterhin wegen ihrer Liebe zu Pferden und fand es albern, dass die Zwillinge ihrem Vater im Stall zur Hand gingen.
    Jo würde nie begreifen, warum Bertie den Beruf so verachtete, dem er sein angenehmes Leben – das gesellschaftliche Ansehen, eine akademische Ausbildung und einen großzügigen Monatsscheck – verdankte. Doch am meisten erboste es sie, dass er ständig die Meinung ihrer Mutter nachbetete, Jo solle sich eine weiblichere Beschäftigung suchen. Turnierspringen oder Ponyreiten wäre ja noch akzeptabel – aber richtige Pferderennen seien doch zu viel des Guten. Jo hingegen konnte die Weiblichkeit gestohlen bleiben, denn sie liebte das geschäftige Treiben auf der Rennbahn.
    Jo hatte ihren Vater angefleht, bei der Ausbildung der Pferde helfen zu dürfen, sobald sie sechzehn wurde. Der Einwand, dass es für sie auf der Rennbahn keine Zukunft gab, verhallte dabei ungehört. Und schließlich hatte es Rick – mit seinem schalkhaften Grinsen, dem blonden Haar und den dunkelvioletten Augen, die ihren glichen wie ein Ei dem anderen – geschafft, Charlie zu überreden. Rick hatte Jos angeborenes Talent im Umgang mit Pferden erkannt und wusste, dass sie die besseren Voraussetzungen zur Trainerin hatte. Obwohl die Geschwister davon ausgingen, dass Rick einmal als Chef der Kingsford Lodge in die Fußstapfen seines Vaters treten würde, war er sich darüber im Klaren, dass Jo über mehr Einfühlungsvermögen, Verständnis für die Tiere und eine größere Liebe zum Detail verfügte. Auch Charlie sah das natürliche Talent seiner Tochter, nahm es jedoch nicht wirklich ernst, da sie ein Mädchen war. Aber zu Jos großer Freude hatte er drei Wochen nach ihrem sechzehnten Geburtstag endlich nachgegeben.
    Das schrille Gelächter der Kookaburras kündigte den Sonnenaufgang an, als Jo und Linda schließlich über die Sandbahn trabten. Jo hielt sich zwischen der inneren Begrenzung und Jillaroo, wo Bella sich sicherer fühlen würde, wenn andere Pferde vorbeipreschten. Sie ließ sich von den rhythmischen Bewegungen des Tieres wiegen. Ihre Wangen prickelten in der kalten Luft, und ihre Augen tränten. Wie immer, wenn ihr Ausritt mit Bella sich dem Ende zuneigte, wurde sie von einer leisen Wehmut ergriffen. Sie konnte hören, wie ihr Vater vom Beobachtungsturm Anweisungen herunterrief, einem achteckigen hohen Gebäude in der Mitte der Rennbahn, von dem aus die Trainer ihren Pferden und Reitern bei der Arbeit zusahen. Jo seufzte. Nur noch eine Runde, dann würde sie Bella an Archie übergeben müssen, den Chefjockey ihres Vaters. Dieser würde die schnelle Bahnarbeit übernehmen, denn am Freitag sollte die Stute zum ersten Mal bei einem Rennen antreten.
    Langsam stieg die Sonne am Horizont auf und versuchte, sich gegen die Stadionbeleuchtung zu behaupten. Das Traben linksherum schien Bella immer noch nicht zu behagen. Dicht an der Bande ließ
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