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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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lang. Beides stammte von einer spanischen Brigg, die 1784 untergegangen war.«
    Gesunkene Schiffe hatten schon immer eine geheime Faszination auf Caroline ausgeübt und ihre Phantasie entzündet. Da sie auf Firefly Hill aufgewachsen waren, hatte sie mit ihren Schwestern oft auf das Meer hinausgeschaut und sich die Schiffe vorgestellt, die in dem klippenreichen Gewässer zerschellt und untergegangen sein mochten. Es gab Legenden von Piraten und Schiffbrüchigen an diesem Küstenstrich und eine denkwürdige Geschichte von einem englischen Schiff, das vor langer Zeit bei einem Orkan untergegangen sein sollte. »Glauben Sie, dass Sie bei uns dergleichen finden?«, fragte sie, zunehmend aufgeregt bei der Aussicht. »Ich meine, einen richtigen Schatz?«
    »Vielleicht«, antwortete er und lächelte abgründig.
    »Das englische Schiff! Sind Sie deshalb gekommen?« Plötzlich ging Caroline ein Licht auf. Die Boote vor der Küste, die Geheimniskrämerei der Männer. Sie waren von Florida in den Norden des Landes gekommen, um das alte Schiffswrack zu bergen.
    Caroline hatte bereits in der dritten Schulklasse erfahren, was es mit der Legende auf sich hatte, wie alle Kinder in Black Hall. Ein englischer Kapitän stach in See, mit Kurs auf die Kolonien, den Laderaum mit Waffen und dem Gold des Königs gefüllt. Er verliebte sich in die Frau des hiesigen Leuchtturmwärters, und sie beschloss, ihren Mann zu verlassen und mit ihm nach England zu segeln. Doch das Schiff ging während eines Orkans unter, der über die Wickland Shoals hinwegfegte.
    »Kennen Sie den Namen des gesunkenen Schiffs?«, fragte Caroline schließlich.
    »Ja,
Cambria«,
antwortete der blonde Hüne und musterte ihr Gesicht.
    »Dachte ich’s mir doch!« Sie blickte ihm in die Augen. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte sie plötzlich das Gefühl, als würde sie ihn kennen, schon seit langer Zeit und sehr gut. Sie wurde von einer merkwürdigen Vorahnung ergriffen, die sie erschauern ließ; ihre Nackenhaare sträubten sich. »Wie kommen Sie ausgerechnet auf die
Cambria?
Das ist doch nur eine Legende. Man hat schon vorher nach dem Schiff gesucht und keine Spur von ihm gefunden. Falls es kein Seemannsgarn ist, müsste sie vor etwa dreihundert Jahren untergegangen sein.«
    »Es ist kein Seemannsgarn.«
    »Woher wollen Sie das wissen? Die Geschichte kursiert nur hier in unserer Gegend. Ich habe nirgendwo etwas darüber gelesen.«
    »Sie haben es mir erzählt.«
    »Ich?«
    »In einem Ihrer Briefe haben Sie von einem Schiff geschrieben, das in Sichtweite Ihres Hauses untergegangen sei. Die
Cambria.
Das hat man Ihnen in der Schule erzählt, und Sie konnten die Stelle vom Fenster Ihres Schlafzimmers aus sehen. Sie sind doch Caroline Renwick, oder?«
    Sie spürte, wie sich die Röte auf ihrem Hals ausbreitete. Einem Impuls gehorchend, streckte sie die Hand aus. Seine Hand fühlte sich rau und schwielig an, und sein Griff war fest und zupackend. Jetzt erkannte sie ihn. Die Ähnlichkeit mit dem Foto war immer noch groß, das Lächeln und das Leuchten in seinen Augen hatten sich nicht verändert, und sie wunderte sich, dass sie ihn nicht auf Anhieb wiedererkannt hatte, als er zur Tür hereinkam.
    »Joe! Joe Connor.«
    »Ich hätte vorher anrufen sollen. Aber wir haben ziemlich kurzfristig beschlossen, gen Norden zu fahren.«
    »Joe«, sagte sie abermals, um Fassung bemüht.
    »Das Renwick Inn. Ich habe mich immer gefragt, ob du etwas damit zu tun hast. Oder zumindest deine Familie.«
    »Kaum zu glauben, dass wir uns nie persönlich begegnet sind, obgleich wir uns so lange kennen. Und ausgerechnet jetzt tauchst du wie der Blitz aus heiterem Himmel auf …«
    »Ja, seltsam, wie das Leben so spielt«, pflichtete er ihr bei, noch immer lächelnd. Doch am Ausdruck seiner Augen erkannte sie, dass er auf Distanz ging. Die Herzlichkeit und Offenheit, mit der er ihr anfangs begegnet war, wurde von ihrer gemeinsamen Vergangenheit getrübt, von der Geheimniskrämerei, die mit seiner beruflichen Tätigkeit einherging, oder von anderen Schatten in seinem Leben. Er blickte sich um und nickte seinen Männern in der Bar zu.
    »Das kann man wohl sagen. Merkwürdig, dass du in meinem Gasthof übernachten willst, vor allem, wenn man bedenkt …«
    »Was bedenkt?«
    »Alles. Alles, was geschehen ist.«
    »Das ist Schnee von gestern. Du führst einen Gasthof, und ich suche ein Quartier für meine Mannschaft.«
    »Für deine Mannschaft? Nicht für dich?«
    Joe schüttelte den Kopf. »Ich
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