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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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Hintergrund des Gemäldes. Auf den ersten Blick schien es sich um dichtes Blattwerk zu handeln, das sich bei näherem Hinsehen gleichwohl als Münzen und Scheine entpuppte. Die anwesenden Künstler sahen darin ein raffiniertes Genrebild in meisterhaft ausgeführter Trompe-l’œil-Technik; diese »Augentäuschung« war einem Hausgast gelungen, der daraufhin ziemlich bekannt wurde. Die neuen Barbesucher hingegen hielten es offensichtlich nur für wolllüstig und lasziv. Sie umringten es und brachten lärmende Trinksprüche auf die steil aufgerichteten Brustwarzen des Aktmodells aus.
    Caroline stand schweigend neben Clea und Michele, die leise berieten, was nun zu tun sei. Die Ausdrucksweise der Männer wurde immer derber. Einige der Anwesenden zuckten zusammen und musterten die Neuankömmlinge mit Abscheu. Clea und Michele beschlossen, den Schaden zu begrenzen; sie gingen von Tisch zu Tisch und luden die Stammgäste auf Kosten des Hauses zu einem Getränk ein.
    »Benehmen sich meine Männer anständig?«, ertönte plötzlich eine tiefe Stimme hinter ihr.
    »Das würde ich nicht so nennen«, erwiderte Caroline und drehte sich zu dem Sprecher um.
    Der Mann war hochgewachsen und hatte zerzauste blonde Haare, mit ausgebleichten Strähnen von Sonne und Salz. Seine blauen Augen waren groß und klar, und der Ernst, der sich in ihnen spiegelte, bildete einen Kontrast zu seinem Lächeln. Er trug ein verblichenes blaues Polohemd mit durchgescheuertem Kragen, das er nicht in den Hosenbund gesteckt hatte. Seine Arme waren sonnengebräunt und muskulös.
    »He, Käpten«, rief der Muskelprotz mit dem abgebrochenen Zahn und den Tätowierungen, »Komm rüber, wir spendieren dir ’nen Drink.«
    »Wie wär’s, wenn ihr euch daran erinnern würdet, dass ihr nicht mehr auf See seid!«, erwiderte der blonde Hüne gutmütig, an seine Mannschaft allgemein gerichtet. »Benehmt euch wie Forscher und Gentlemen.« Sie hörten ohne erkennbaren Groll zu, nickten und hoben ihre Gläser. Einer von ihnen gab ihm einen Drink aus, allem Anschein nach Preiselbeersaft. Als er das Glas entgegennahm, sah Caroline, wie groß seine Hände waren.
    »Danny sagt, dass Sie ausgebucht sind. Stimmt das?«, fragte der blonde Hüne.
    »Ja, tut mir Leid. Ich kann Ihnen nicht mehr als zwei Zimmer für heute Nacht anbieten, und das auch nur, weil Gäste in letzter Minute abgesagt haben. Ich fürchte, es dürfte Ihnen schwer fallen, genug Zimmer für unbegrenzte Zeit zu finden. In Black Hall herrscht im Sommer Hochsaison.«
    »Schade. Ich hatte mir das Renwick Inn eingebildet.«
    »Wirklich?«, fragte sie skeptisch, fühlte sich aber geschmeichelt.
    »Wirklich.«
    »Bei uns steigen hauptsächlich Künstler ab. Wir bekommen hier nicht viele Seeleute und, wie sagten Sie … Forscher zu Gesicht.«
    »Kaum zu glauben, nicht wahr?« Er warf seiner abgerissenen Crew, die inzwischen versonnen die Nackte beäugten, einen raschen Blick zu; sie hätten dringend einen Rasierapparat und Shampoo gebraucht. »Meine Mannschaft besteht zur Hälfte aus Meeresforschern und zur anderen Hälfte aus Piraten.«
    »Und zu welcher Hälfte gehören Sie?«
    »Ich bin entschieden ein Pirat.«
    »Was Sie nicht sagen.« Caroline und der Fremde standen da und lächelten sich an. Er strahlte geballte Erotik aus, aber trotz seiner lässigen Art sah sie etwas Tiefgründiges, Geheimnisvolles in seinen Augen.
    »Ich habe eine Bergungsfirma in Florida«, erklärte er. »Wir tauchen nach havarierten Schiffen und bringen nach oben, was noch zu retten ist. Manchmal arbeiten wir im Auftrag der Regierung, manchmal auf eigene Faust.«
    »Was bergen Sie denn?«
    »Schätze.«
    »Schätze?«, fragte sie, immer noch argwöhnisch.
    »Ja. Manchmal aber finden wir auch nur noch eine Ausrüstung zum Hochseefischen und einen mit Wasser voll gelaufenen Außenbordmotor. Der Kapitän war betrunken, kannte sich in den Gewässern nicht aus, und sein Schiff lief auf Grund. Oder ein Segelboot, das sich auf einem Familientörn befand und an den Klippen zerschellte, weil der Vater seine Navigationsfähigkeiten überschätzte.«
    »Sie haben den weiten Weg von Florida hierher doch sicher nicht gemacht, um nach den Überresten eines Segelboots zu tauchen, das auf einem Familientörn war.«
    »Nein, natürlich nicht. Zu Beginn des Jahres bin ich bei einer Schatzsuche vor der Küste von Louisiana auf eine Truhe mit gelben Topasen gestoßen. Und wir fanden Silberpesos, aufgestapelt etwa zehn Zentimeter hoch und zweieinhalb Meter
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