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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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ihr ein Gefühl der Wärme und Geborgenheit, wie in einer Weltraumkapsel, in der sie mit ihrer Schwester lautlos durch die kleinen Ortschaften glitt. Beide schwiegen.
    »Was ist nur mit Skye los?«, sagte Clea schließlich.
    »Ich wünschte, ich wüsste es«, seufzte Caroline.
    Sie sah Skyes attraktiven, egozentrischen Ehemann vor sich. Skye und Simon, zwei unkonventionelle Künstler, hatten so lange ein zügelloses Bohemien-Leben geführt, wie es Simon gefiel. Kurz vor dem fünften Hochzeitstag war er mit einer Frau durchgebrannt, die ihm Modell zu sitzen pflegte. Skyes trübsinnige Anwandlungen hatten Caroline schon von Kindesbeinen an Sorgen bereitet, aber seit geraumer Zeit schien sie ausgeglichener zu sein, zumindest bis zu dem Tag, als Simon die andere kennen lernte.
    »Es liegt nicht nur an Simon«, sagte Caroline.
    »Woran denn sonst?«
    »Ich glaube, die Vergangenheit hat sie eingeholt.«
    »Welche Vergangenheit meinst du?«
    »Sie hat einen Menschen getötet, Clea!«
    »Das war ein Unfall und keine Absicht.«
    »Das macht ihn auch nicht wieder lebendig.«
    »Vermutlich trinkt sie, um ihre Schuldgefühle zu verdrängen. Genau wie Dad.«
    »Ja, genau wie Dad.«
    Sie fuhren weiter. Caroline bewohnte ein kleines Cottage, das zum Renwick Inn gehörte. Sie hatte den weithin bekannten Familiennamen in klingende Münze umgesetzt und einen idyllischen Landgasthof eröffnet, der zum Szenetreff der Künstler geworden war. Der Gasthof selbst war zweihundert Jahre alt, ein verschachteltes weißes Bauwerk im viktorianischen Stil mit sieben Schornsteinen und vier Geheimkabinetten. Es war umgeben von weitläufigen Gärten, Kiefernwäldern, verschiedenen Wirtschaftsgebäuden und einer großen roten Scheune. Das Anwesen, das vier Hektar umfasste und an den Ibis River grenzte, einen Nebenfluss des Connecticut River, war schon im Besitz ihrer Großeltern gewesen.
    Jedes Jahr im Sommer und teilweise auch zu anderen Jahreszeiten strömten die Künstler ins Renwick Inn, um zu malen, der drangvollen Enge der Stadt zu entgehen und sich ineinander zu verlieben. Jeden August, gegen Ende der Saison, gab Caroline einen Ball, der inzwischen weithin berühmt war, um die Liebe, die Kreativität, die Kunstwerke, die vor Ort entstanden waren, und das Geld, das sich auf ihrem Konto häufte, zu feiern. Als Clea nun in den gewundenen schmalen Zufahrtsweg einbog, sah Caroline, dass der Parkplatz voll war.
    »Nicht schlecht!«, sagte sie. »Zahlende Gäste.«
    »Die Künstler müssen heutzutage gut betucht sein, wenn sie sich die Preise leisten können, die du verlangst«, meinte Clea lachend, während sie die Autos zählte.
    »Bei mir steigen nicht nur Künstler ab. In meiner Werbung weise ich lediglich darauf hin, dass es sich um ein Refugium für Künstler handelt. Das scheint eine magische Wirkung zu haben.«
    »Das war schon immer so.« Clea erinnerte sich vermutlich an die Kindheit der drei Schwestern, an die Möchtegern-Protegés und Nassauer, die den Hofstaat ihres Vaters gebildet hatten, in der Hoffnung, sein Talent, sein Ruhm oder das Geheimnis seines Erfolgs möge auf sie abfärben.
    Es war schwül und stickig, kein Lüftchen regte sich. Hitze stieg vom Fluss auf, der träge dahinglitt und im Mondlicht schimmerte. Die Gäste liebten das nostalgische Flair, die großen Ventilatoren an den Decken, die Veranden mit den Fliegengittertüren, die Moskitonetze, die Kerosinlampen. Sie waren bereit, sich das rustikale Ambiente etwas kosten zu lassen. Sie genossen den flackernden Kerzenschein, die wuchernden verwunschenen Gärten, Diners auf verwitterten Picknicktischen, wie in Fresco gemalt, Geschirr und Gläser, die nicht zusammenpassten, eine anheimelnde Bar mit einem offenen Kamin und einer Fülle von Getränken. Sie verachteten die Errungenschaften des modernen Lebens, und so stellte Caroline sich auf die Wünsche ihrer Gäste ein, indem sie ihnen stilgemäß weder Klimaanlage noch Fernsehgerät, Telefon oder einen elektrischen Wecker auf dem Zimmer bot.
    »Kommst du auf einen Sprung herein?«, fragte Caroline, die noch keine Lust hatte, den gemeinsamen Abend zu beenden. »Wir haben eine köstliche neue Schokoladentorte, die du unbedingt probieren musst.«
    »Wenn das so ist! Da lass ich mich nicht lange bitten.«
    Sie betraten den Gasthof und durchquerten das Vestibül. Überall machten Gäste die Runde, mit einem Drink in der Hand auf den Beginn des Abendessens wartend. Michele, Hotelmanagerin und Carolines rechte Hand, hatte alles unter
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