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Wo Träume im Wind verwehen

Wo Träume im Wind verwehen

Titel: Wo Träume im Wind verwehen
Autoren: Luanne Rice
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Erinnerung zu rufen, wie sie damals gewesen waren. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich auf ihr eigenes Erscheinungsbild, das aufschlussreich war – lächelnd, aber auf der Hut, stand sie einen Schritt hinter Clea und Skye, als wollte sie beiden den Rücken stärken.
    »Woran habt ihr damals gedacht?«, flüsterte sie ihrem alten Selbst und ihren jüngeren Schwestern zu.
    Sie wuchsen im selben Haus auf, mit denselben Gerüchen, denselben Ausblicken, denselben Geräuschen. Sie hatten dieselben Eltern. Sie teilten sich ein Zimmer und hörten jeden Abend beim Einschlafen den leisen Atem der anderen. Sie hatten die gleichen Traumbilder. Sie kannten die Albträume, die jede von ihnen plagte. Und in einigen ihrer schönsten Träume kamen die beiden anderen vor.
    »Wir sind gemeinsam zur Schule gegangen«, sagte sie zu sich selbst und ihren Schwestern.
    Sie kannte jede einzelne Narbe an den nackten Beinen ihrer Schwestern. Clea hatte direkt unter dem linken Knie eine halbmondförmige Narbe, eine Erinnerung an den Abend, als sie gestolpert und in eine Glasscherbe gefallen war. Und Skye hatte eine zweieinhalb Zentimeter lange Narbe am rechten Fußknöchel. Sie war mit dem Fuß im Stacheldrahtzaun hängen geblieben, als sie alle drei eine Abkürzung über eine Weide genommen hatten, die sie unbefugt betreten hatten.
    Sie kannte die Jungen, in die sie damals verknallt gewesen waren. Sie hatte ihre Schwestern mit jedem Einzelnen aufgezogen. Sie hatte ihnen geholfen, Liebesbriefe zu schreiben, oder die Telefonnummern für sie gewählt, Clea oder Skye den Hörer hingehalten, wenn ihr Schwarm abhob, und wortlos aufgelegt, sobald sie seine Stimme gehört hatten. Manchmal hatte sie, und deswegen würde sie sich bis an ihr Lebensende schämen, mit ihnen geflirtet, wenn ihre Schwestern nicht dabei waren. Nur um zu testen, ob sie in der Lage gewesen wäre, ihnen die Jungen auszuspannen.
    Während sie das Foto betrachtete, wurde ihr bewusst, dass sie trotz aller Gemeinsamkeiten ihre kleinen Geheimnisse hatten. Was war mit den unterschiedlichen Erfahrungen, mit den Dingen, die sie einander verschwiegen? Sie sagen mir auch nicht alles, dachte Caroline. Kein Wort über die Streitereien der Eltern, die sie gewiss mitbekommen hatten, wenn sie bereits schlief. Oder das einzige Mal, als sie gemogelt hatte, bei einer Mathematikprüfung in der siebten Klasse. Obwohl Caroline ihrer Schwester bei den Hausaufgaben half, hatte sie ihr zuliebe so getan, als stünde sie auf dem Schlauch.
    Sie sprachen auch nicht über die schlimmen Dinge, die einem widerfahren konnten, die sehr schlimmen Dinge. Über die Männer, mit denen man sich einließ, obwohl man wusste, dass sie einem nicht gut taten. Über die Zeiten der Angst. Über die Zeiten, wo einem keine andere Wahl blieb. Wo man sich an einem Ort befand, der einem fremd war, und niemanden hatte, den man anrufen konnte, auch nicht die Schwestern. Oder darüber, wie es ist, wenn man einen Menschen umbringt.
    Und sie redeten nicht einmal über die wunderbaren Zeiten, wenn man frisch verliebt war, wenn das Mondlicht auf dem Wasser ein Versprechen zu enthalten schien, das Caroline im Gegensatz zu Clea und Skye nie verstanden hatte, obwohl sie Schwestern waren und aus demselben Mutterleib kamen.
    Drei Schwestern, drei voneinander getrennte Wirklichkeiten. Zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten, zahlreiche Chancen. Wie in der Werbung: Drei für den Preis von einer. Zwei gegen eine. Eene, meen, muh,
und raus bist du.
Geheimnisse, die man der einen, aber nicht der anderen anvertraut. Und dann erzählt es die eine der anderen weiter, und schon sind alle miteinander überkreuz. Oder Geheimnisse, die man mit der Auflage offenbart, sie niemandem weiterzuerzählen. Geheimnisse, die man kennt, aber keiner Menschenseele verraten würde. Geheimnisse, die man sich vorstellen kann, aber nicht kennt, Fehler, bei denen es um Leben und Tod geht. Die Geometrie der Schwestern.

[home]
    2
    E ine Woche später gingen die Schwestern zusammen ins Kino. Nachdem sie Skye auf Firefly Hill abgesetzt hatten, wo sie seit der Trennung von Simon wohnte, ließ sich Caroline von Clea nach Hause bringen. Sie lebten alle im Umkreis von Black Hall, nicht mehr als sechs Meilen voneinander entfernt. Heute Abend fuhren sie gemächlich in Cleas Volvo und machten einen Umweg. Ihr Mann und die Kinder waren nicht zu Hause, weshalb sie es nicht eilig hatten. Caroline genoss die Spritztour mit ihrer Schwester an der Küste entlang. Der Wagen vermittelte
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