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Wo gibt es neue Schuhe, Genossen

Wo gibt es neue Schuhe, Genossen

Titel: Wo gibt es neue Schuhe, Genossen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Wodka und studierte die Transportpapiere. Die beiden Fahrer wurden gerade von der Gorskaja verpflegt und aßen frischen Blinis mit einer Hackfleischfüllung.
    »Genau 1.500 Stück!« sagte Gorski und klopfte auf die Papiere. »Da gibt es keine Unklarheiten wie bei den Kapitalisten! Wenn da 1.500 steht, dann sind es 1.500!«
    »Und was sollen sie kosten?« fragte Dr. Balujew.
    »Ist das wichtig?« Gorski schaute in die Papiere. »Je nach Größe zwischen 9 und 12 Rubel! Eine besonders billige Sonderanfertigung! Halb geschenkt! Das ist praktizierter Sozialismus, Genosse Doktor! Da machen die braven Schuharbeiter in Krasnojarsk Sonderschichten, um so billig liefern zu können! Wo gibt's das noch auf der Welt? Nur bei uns!«
    »Gibt es auch verschiedene Modelle?« fragte Dr. Balujew.
    Gorski blickte wieder in die Papiere. »Nein, nur eins! Schnürschuhe für die Männer. Offene Schuhe mit Riemchen für die Frauen. Modellname: Nowgorod! Ha, darüber habe ich gelesen. Das Eleganteste, was unsere Schuhindustrie auf den Markt gebracht hat! Und so etwas kommt bis nach Nowo Tschemka! Man könnte weinen vor Freude …«
    »Verschiedene Farben?«
    »Männer schwarz, Frauen braun.« Gorski sah Dr. Balujew kritisch an. »Nur Papageien tragen bunt! Denken Sie etwa an so degenerierte Schuhe, wie sie die Dämchen der Kapitalisten tragen? Aber warten Sie's nur ab! Wenn Amossow erst einmal mit den ersten Musterpaaren kommt, um sie mir zu zeigen. Modell Nowgorod! Allein dieser Name verpflichtet!«
    Die Gorskaja kam herein, begrüßte mit ihrem blöden Kichern Dr. Balujew und servierte den beiden Herren köstlich duftende Blinis mit Hackfleischfüllung. Dazu gab es eingelegte Salzgurken.
    »Das war ein Tag!« sagte Gorski und begann zu essen. »Zum erstenmal habe ich sogar dem verdammten Popen sein Glockenläuten nicht übelgenommen!«
    Es war schon spät – so gegen Mitternacht –, als jemand an das Bürofenster des Parteihauses klopfte. Gorski und Dr. Balujew, die noch zusammensaßen und tranken, schraken auf, rannten aus dem Zimmer und ließen den späten Besucher ein.
    Es war Amossow.
    Schrecklich sah er aus, bleich, faltig im Gesicht, um ein Jahrzehnt mindestens gealtert. Sein Kopf wackelte, er versuchte zu sprechen, bekam aber keinen Ton aus der Kehle und trat näher. Mit beiden Händen schleppte er einen Stapel zusammengebundener Schuhkartons und schwankte in Gorskis Büro, als erklimme er einen Galgen. Dort, im Büro, stellte er den Kartonstapel auf den Boden und fiel auf den grünlackierten Stuhl, auf dem Dr. Balujew vorher gesessen hatte.
    »Wir sind erledigt, Genosse Sekretär«, sagte er endlich dumpf, nachdem er von Balujew und Gorski angeschrien worden war, etwas von sich zu geben. »Wenn wir nicht flüchten, überleben wir den Montag nicht mehr!«
    »Die Schuhe sind doch da!« rief Gorski.
    Amossow nickte schwer. »Ja.«
    »Und in jedem Karton sind sie. Es gibt keine leeren Kartons!«
    »Nein.«
    »Es ist das Modell Nowgorod!«
    »Ja.«
    »Schwarze und braune?!«
    »Ja.«
    »1.500 Stück!«
    »Ja!« Amossow sah Dr. Balujew um Hilfe flehend an. »Das ist es ja! Genau das, Genossen!« Er löste die Verschnürung des Kartonstapels und riß den Deckel vom obersten Karton. Schwarz, matt glänzend, mit Wonne anzuschauen, lag da ein Schnürschuh für Herren. Modell Nowgorod, ohne Zweifel.
    »Na und?« brüllte Gorski. »So ein herrlicher Schuh! Was meckerst du da?!«
    »Ein Schuh!« schrie Amossow und raufte sich wild die Haare. »Sie haben es erfaßt, Genosse! In jedem Karton ist nur ein Schuh! Sie haben uns nur linke Schuhe geschickt! Die rechten fehlen …«
    Es war plötzlich unheimlich still im Zimmer. Nicht einmal atmen wollten die drei Männer, so sehr griff ihnen die Erkenntnis ans Herz. Nur linke Schuhe, 1.500 linke Schuhe!
    »Ich habe es geahnt«, stammelte Amossow als erster. »Ich kann Lieferscheine lesen. Das ist mein Beruf. Und was stand auf dem Schein: Schuhe – 1.500 Stück! Nicht Paar, nein: Stück! Und die haben wir bekommen. 1.500 Stück Schuhe, links.« Er seufzte tief. »Man hat eben nur das eine Wort auf dem Lieferschein vergessen. Links!«
    »Und wo sind die rechten?« fragte Dr. Balujew leise. Er überblickte das Chaos, das am Montag beginnen würde. Ein vollkommenes Chaos mit vielen verletzten Unschuldigen. Am wenigsten konnte Amossow dafür, aber gerade ihn würde man jagen wie einen weißen Wolf.
    »Wer soll das wissen?« stöhnte Amossow.
    Gorski riß jeden Karton auf und überzeugte sich. Man
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