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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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dass der Pakt langfristig erfolgreich sichergestellt hatte, dass wir nichtmenschlichen Kreaturen vor ungebetener Aufmerksamkeit geschützt blieben. Jenes Gelübde, das die Dämonen, Vampire und Hexen vor langer Zeit abgelegt hatten, verbat uns jede Einmischung in Politik oder Religion und untersagte jegliche persönliche Verbindung zwischen den drei verschiedenen Spezies. Die Hexen sollten unter sich bleiben, genau wie Vampire und Dämonen. Vor allem sollten wir uns keinesfalls in andere Wesen verlieben und sie heiraten.
    »Sicher? Glaubt nur nicht, dass Ihr hier sicher seid, Madame . Sicher ist keiner von uns. Die Engländer sind ein abergläubisches Volk, sie sehen auf jedem Friedhof Gespenster und um jeden Suppenkessel Hexen tanzen. Die Kongregation ist das Einzige, was zwischen uns und der völligen Ausrottung steht. Ihr seid sehr klug, hier Zuflucht zu suchen. Nun kommt, Ihr müsst Euch anziehen, die anderen warten auf Euch.« Françoise half mir aus dem Nachthemd und reichte mir ein nasses Tuch sowie eine Schüssel mit einer Schmiere, die nach Rosmarin und Orange roch. Es war eigenartig, wie ein Kind behandelt zu werden, doch ich wusste, dass Menschen von Matthews Rang sich damals waschen, anziehen und füttern ließen wie kleine Kinder. Pierre reichte Matthew eine Schale mit etwas, das zu dunkel war, um Wein zu sein.
    »Sie ist nicht nur eine Hexe, sondern noch dazu eine Fileuse de temps?«, fragte Françoise Matthew leise. Der unvertraute Begriff Zeitspinnerin beschwor die Erinnerung an die vielen bunten Fäden herauf, denen wir gefolgt waren, um an diesen Augenblick in der Vergangenheit zu gelangen.
    »Das ist sie.« Matthew nickte, den Blick fest auf mich gerichtet, und nahm einen Schluck aus seiner Schale.
    »Aber wenn sie aus einer anderen Zeit kommt, bedeutet das …«, setzte Françoise mit großen Augen an. Dann verstummte sie nachdenklich. Sie vermutet, dass er nicht derselbe Matthew ist , erkannte ich erschrocken.
    »Es genügt, wenn wir wissen, dass sie unter dem Schutz von Milord steht«, ermahnte Pierre sie grob und mit warnendem Unterton. Er reichte Matthew einen Dolch. »Was das bedeutet, braucht uns nicht zu interessieren.«
    »Es bedeutet, dass ich sie liebe und dass sie mich ebenfalls liebt.« Matthew sah seinen Diener eindringlich an. »Und dies ist die Wahrheit, ganz gleich, was ich zu allen anderen sage. Verstanden?«
    »Ja«, erwiderte Pierre, obwohl sein Tonfall das Gegenteil vermuten ließ.
    Auf Matthews fragenden Blick hin kniff auch Françoise die Lippen zusammen und nickte grimmig.
    Sie widmete sich wieder mir und wickelte mich in ein dickes Leinenhandtuch. Dabei musste sie auch die anderen Wunden an meinem Körper bemerkt haben, die ich mir im Verlauf dieses einen unendlich langen Tages mit der Hexe Satu zugezogen hatte, sowie alle anderen Narben von später erlittenen Qualen. Trotzdem stellte sie mir keine weiteren Fragen, sondern setzte mich in einen Sessel am Kamin, um mich dort zu kämmen.
    »Und hat man ihr diese Beleidigung zugefügt, nachdem Ihr Eure Liebe zu der Hexe erklärt hattet, Milord ?« , fragte Françoise.
    »Ja.« Matthew schnürte den Dolch an seiner Taille fest.
    »Demnach war es kein Manjasang , der sie gezeichnet hat«, murmelte Pierre. Er verwendete das alte okzitanische Wort für Vampir – Blutesser. »Kein Vampir würde sich den Zorn der de Clermonts zuziehen wollen.«
    »Nein, es war eine Hexe.« Obwohl ich direkt am Feuer saß, ließ mich dieses Bekenntnis schaudern.
    »Allerdings waren zwei Manjasang dabei und ließen sie gewähren«, ergänzte Matthew grimmig. »Und dafür werden sie bezahlen.«
    »Vorbei ist vorbei.« Ich wollte keine Fehde unter den Vampiren auslösen. Wir hatten auch so genug Probleme.
    »Wenn MilordEuch zur Frau genommen hat, bevor die Hexe Euch angriff, dann ist nichts vorbei.« Geschickt flocht Françoise mein Haar zu festen Zöpfen, die sie um meinen Kopf schlang und dann feststeckte. »In diesem gottverfluchten Land, in dem man keine wahre Treue kennt, mögt Ihr vielleicht Roydon heißen, aber wir werden gewiss nicht vergessen, dass Ihr eine de Clermont seid.«
    Matthews Mutter hatte mich gelehrt, dass die de Clermonts wie ein Wolfsrudel waren. Im einundzwanzigsten Jahrhundert hatte ich gegen die Verpflichtungen und Beschränkungen aufbegehrt, die mit der Zugehörigkeit zu diesem Rudel verbunden waren. Im Jahr 1590 hingegen war nicht vorherzusehen, wie sich meine Magie entfalten würde, ich verfügte über praktisch keine
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