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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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Kenntnisse der Hexerei, und meine frühesten bekannten Vorfahren waren noch nicht geboren. Hier konnte ich mich nur auf meinen Verstand und auf Matthew verlassen.
    »Zu dem Zeitpunkt war schon klar, dass wir zusammengehören. Trotzdem will ich jetzt keine Schwierigkeiten.« Ich senkte den Blick auf Ysabeaus Ring und strich mit dem Daumen über das Band. Meine Hoffnung, dass wir uns nahtlos in die Vergangenheit einfügen würden, erschien mir plötzlich ebenso abwegig wie naiv. Ich sah mich um. »Und das …«
    »Wir sind nur aus zwei Gründen hier, Diana: um dir eine Lehrerin zu suchen und um das alchemistische Manuskript aufzuspüren.« Das mysteriöse, Ashmole 782 genannte Manuskript hatte uns damals zusammengeführt. Im einundzwanzigsten Jahrhundert ruhte es sicher unter Millionen von anderen Büchern in der Bodleian Library in Oxford. Beim Ausfüllen des Bestellzettels hatte ich nicht ahnen können, dass ich mit diesem einfachen Akt einen komplizierten Bannspruch lösen würde, der das Manuskript bis dahin in sein Regal gefesselt hatte, und dass derselbe Bann wieder in Kraft treten würde, sobald ich Ashmole 782 zurückgab. Genauso wenig hatte ich etwas von den vielen Geheimnissen über Hexen, Vampire und Dämonen geahnt, die angeblich in diesem Manuskript offenbart wurden. Statt den Versuch zu unternehmen, den Bannspruch ein zweites Mal in der modernen Welt zu lösen, hatte Matthew es für sicherer gehalten, Ashmole 782 in der Vergangenheit zu suchen.
    »Bis wir zurückkehren, ist dies dein Zuhause«, versuchte er mich zu beruhigen.
    Die massiven Möbel des Raumes waren mir aus Museen und Auktionskatalogen vertraut, trotzdem würde ich mich in der Old Lodge nie wirklich zu Hause fühlen. Ich betastete das feste Leinen des Handtuchs – nicht zu vergleichen mit den kratzigen Frotteetüchern, die Sarah und Em besaßen und die vom vielen Waschen fadenscheinig geworden waren. In einem anderen Raum mischten sich verschiedene Stimmen in einem befremdlichen Rhythmus. Ich sehnte mich nach ein wenig Vertrautheit, nach etwas Berechenbarem. Aber die Vergangenheit war unsere einzige Option. Das hatten wir während unserer letzten Tage in Madison deutlich vor Augen geführt bekommen, als uns Vampire gejagt hatten und Matthew um ein Haar getötet worden wäre. Wenn unser Plan aufgehen sollte, musste ich zuallererst darauf achten, dass ich als elisabethanische Ehefrau durchging.
    » O schöne neue Welt.« Natürlich war es unhistorisch, aus Shakespeares Sturm zu zitieren, der erst in zwanzig Jahren geschrieben werden sollte, aber dies war wirklich kein einfacher Morgen für mich.
    »Und« , erwiderte Matthew mit einem Lächeln, »bist du bereit, dich ihr zu stellen?«
    »Natürlich. Ich muss mich nur noch anziehen lassen.« Ich streckte die Schultern durch und stand auf. »Wie begrüßt man eigentlich einen Earl?«

2
    I ch hatte mir unnötig Sorgen gemacht, ich könnte gegen irgendeine Etikette verstoßen. Titel und Anrede waren nebensächlich, wenn es sich bei dem fraglichen Earl um einen sanften Riesen namens Henry Percy handelte.
    Françoise hantierte kopfschüttelnd an mir herum, während sie mich in ein eilig zusammengesuchtes Ensemble steckte: einen fremden Unterrock; ein gestepptes Mieder, um meinen athletischen Körper in eine weiblichere Gestalt zu pressen; ein besticktes, nach Lavendel und Zeder duftendes Leibchen mit hoher Halskrause; einen Glockenrock aus schwarzem Samt und Pierres beste Jacke, das einzige Kleidungsstück, das wenigstens annähernd meine Größe hatte. Sosehr sich Françoise auch bemühte, sie schaffte es nicht, das letzte Stück über meiner Brust zuzuknöpfen. Ich hielt den Atem an, zog den Bauch ein und hoffte das Beste, während sie die Korsettbänder straffzog, aber höchstens ein göttliches Wunder hätte mir eine sylphengleiche Silhouette verschaffen können.
    Während des komplexen Rituals traktierte ich Françoise mit Fragen. Aufgrund der zeitgenössischen Porträts hatte ich erwartet, ich würde einen Reifrock wie einen Vogelkäfig an die Hüfte gebunden bekommen, aber Françoise erklärte mir, dass man so etwas nur zu formellen Anlässen trug. Stattdessen band sie mir unter den diversen Röcken einen ausgestopften Stoffreifen um den Bauch. Das Einzige, was für dieses Ungetüm sprach, war die Tatsache, dass es mir die zahllosen Stoffschichten von den Beinen weghielt und mir dadurch das Gehen ermöglichte – vorausgesetzt, es stand kein Mobiliar im Weg, und ich konnte mein Ziel auf
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