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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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ist Alchemist.« Pierre, der offenbar spürte, wann einer Frau die Nerven durchzugehen drohten, streckte meinem Gemahl hastig eine schwarze Reithose hin, damit er nicht barbeinig dastand, wenn sich mein Zorn endgültig Luft machte.
    »Genau wie Walter und Tom.« Matthew ignorierte die dargebotene Hose und kratzte sich am Kinn. »Sogar Kit versucht sich stümperhaft als Alchemist, allerdings ohne Erfolg. Du darfst dir nicht ständig vor Augen halten, was du über sie zu wissen glaubst. Wahrscheinlich stimmt es sowieso nicht. Und du solltest mit deinen modernen historischen Etiketten aufpassen.« Endlich griff er nach seiner Hose und stieg hinein. »Will hat sich den Ausdruck ›Schule der Nacht‹ ausgedacht, um Kit eins auszuwischen, aber bis dahin sind es noch ein paar Jahre.«
    »Es interessiert mich nicht, was William Shakespeare getan hat, gerade tut oder irgendwann tun wird … Vorausgesetzt, er sitzt nicht mit dem Earl of Northumberland unten!«, gab ich zurück und stand auf.
    »Natürlich sitzt Will nicht da unten.« Matthew wedelte wegwerfend mit der Hand. »Walter gibt nicht viel auf Wills dichterische Fähigkeiten, und Kit hält ihn für einen diebischen Schmierfinken.«
    »Da bin ich aber erleichtert. Und was willst du ihnen über mich erzählen? Marlowe weiß genau, dass wir etwas verbergen.«
    Matthews graugrüne Augen blickten mich ernst an. »Wahrscheinlich die Wahrheit.« Pierre reichte ihm ein Wams – schwarz, mit feinen Stickereien – und starrte währenddessen, das Musterbild eines Bediensteten, eisern auf einen Punkt oberhalb meiner Schulter. »Dass du eine Zeitwandlerin und Hexe aus der Neuen Welt bist.«
    »Die Wahrheit«, wiederholte ich tonlos. Pierre hörte jedes Wort mit, zeigte aber keine Reaktion, und Matthew ignorierte ihn, als wäre er unsichtbar. Ich fragte mich, ob wir uns wohl so lange hier aufhalten würden, dass auch ich seine Anwesenheit nicht mehr bemerken würde.
    »Warum nicht? Tom wird jedes Wort mitschreiben, das du von dir gibst, und es dann mit seinen Notizen über die Sprache der Algonquin vergleichen. Ansonsten wird dich niemand weiter beachten.« Was er anziehen sollte, schien Matthew mehr zu beschäftigen als die mögliche Reaktion seiner Freunde.
    Françoise kehrte mit zwei warmblütigen jungen Frauen zurück, beide beladen mit sauberen Kleidern. Sie deutete auf mein Nachtgewand, und ich verzog mich hinter den Bettpfosten, um mich umzuziehen. Zum Glück hatte ich mich oft genug in Umkleideräumen ausgezogen und daher kaum Hemmungen, mich vor anderen zu entblößen. Ich hob das Leinen über meine Hüften und dann über meine Schultern.
    »Kit wird mich sehr wohl beachten. Er sucht nur nach einem Grund, mich nicht zu mögen, und damit liefern wir ihm gleich mehrere.«
    »Kit ist kein Problem«, versicherte Matthew mir zuversichtlich.
    »Ist Marlowe dein Freund oder deine Marionette?« Ich kämpfte mich immer noch durch das Leinen meines Nachthemds, als ich ein erschrockenes Luftschnappen und ein ersticktes »Mon dieu« hörte.
    Ich erstarrte. Françoise hatte auf meinem Rücken die mondsichelförmige Narbe gesehen, die sich von einer Seite der Rippen zur anderen erstreckte, gekrönt von dem Stern zwischen meinen Schulterblättern.
    »Ich werde Madame ankleiden«, erklärte Françoise den beiden Mägden kühl. »Lasst die Kleider liegen und geht wieder an eure Arbeit.«
    Die Mägde verschwanden nach einem kurzen Knicks und einem unverhohlen neugierigen Blick. Sie hatten die Narben nicht gesehen. Sobald sie die Tür ins Schloss gezogen hatten, prallte Françoise’ schockiertes »Wer hat das getan?« auf Matthews »Das darf niemand wissen« und mein eigenes, fast schüchternes »Das ist nur eine Narbe«.
    »Jemand hat Euch mit dem Wappen der de Clermonts gebrandmarkt«, beharrte Françoise kopfschüttelnd. »Dem Wappen, das auch Milord verwendet.«
    »Wir haben den Pakt gebrochen.« Ich kämpfte gegen die Übelkeit an, die jedes Mal in mir hochstieg, wenn ich an die Nacht dachte, in der mich eine andere Hexe als Verräterin gebrandmarkt hatte. »Und so hat mich die Kongregation dafür bestraft.«
    »Darum also seid Ihr hergekommen.« Françoise schnaubte. »Der Pakt war von Anfang an eine dumme Idee. Philippe de Clermont hätte sich nie darauf einlassen dürfen.«
    »Trotzdem sind wir dadurch sicher vor den Menschen.« Ich war kein großer Freund dieser Vereinbarung oder der neunköpfigen Kongregation, die über ihre Durchsetzung wachte, aber niemand konnte bestreiten,
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