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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Autoren: Hannah Beitzer
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aber doch keine zwingen. Überhaupt sei Sexismus ein gesamtgesellschaftliches Problem, nicht nur eines der Piraten. Die Frauen, die sich bei den Piraten engagierten, fühlten sich im Übrigen total wohl. Und gebe es eigentlich keine wichtigeren Themen? So sah das auch bei den Aufstellungsversammlungen für die Bundestagslisten aus. Auf den aussichtsreichsten Plätzen landeten fast ausschließlich Männer. Lediglich der Landesverband Berlin schaffte es, seine Landesliste mit Frauen an der Spitze zu besetzen. Ein Ausgleich sollte das sein, der allerdings allenfalls homöopathische Wirkung hat. Schließlich erhält Berlin anteilig weniger Sitze als große Verbände wie Bayern oder Nordrhein-Westfalen.
    Diejenigen, die bei den Piraten ein Bewusstsein für Gleichberechtigung fördern wollen, haben es nicht leicht. Sie werden gern als «Feminazis» beschimpft, als U-Boote – «Geh doch zu den Grünen» gehört noch zu den nettesten Sprüchen. Die hartnäckige Weigerung, das Geschlecht zu erheben, weil es schließlich nicht relevant sei, ist da nur eines von vielen Beispielen. Man gibt sich betont fortschrittlich, will alte Debatten nicht mehr führen – und fällt ausgerechnet deswegen hinter diese zurück. Natürlich ist Sexismus ein gesamtgesellschaftliches Problem – das heißt aber nicht, dass sich eine Partei darum nicht zu kümmern hat oder es für sich selbst einfach ignorieren kann. Hier folgen die Piraten wieder einmal der Formel «Ich bin kein Sexist, aber …».
    Für eine selbsternannte Fortschrittspartei ist das ein Armutszeugnis. Denn nicht zuletzt die #Aufschrei-Debatte, der Streit ums Betreuungsgeld, die Forderung nach der Frauenquote haben gezeigt: Von «Post-Gender» sind wir noch weit entfernt.

Haben wir endlich einen Generationenkonflikt?
    Wer heute in einer ähnlichen Situation ist wie ich, hat viel, wofür er seinen Eltern dankbar sein kann: eine unbeschwerte Kindheit, optimale Förderung, beinahe grenzenloses Vertrauen und zudem so viel Freiheit, wie sie keine Generation vor uns erfahren durfte. Wir konnten die ganze Welt bereisen, im Ausland studieren, so viele Sprachen lernen, wie wir wollten. Ich kann heute kaum glauben, dass es noch in der Generation meiner Mutter ganz normal war, ein Mädchen nicht aufs Gymnasium zu schicken, weil es ja eh einmal heiraten würde und deswegen kein Abitur brauchte – oder allenfalls, um den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen.
    Unsere Eltern hingegen haben uns Kritikfähigkeit beigebracht, und nicht zuletzt haben sie aus uns Menschen gemacht, die etwas bewegen wollen, sich einsetzen für das, was ihnen wichtig ist: Familie, Freunde, die Welt um sie herum. Menschen, die vielleicht ein wenig zu viel von sich selbst und ihrer Meinung halten. Menschen vielleicht auch, die etwas zu geschwätzig sind, zu sehr auf ständige Kommunikation, ständigen Austausch angewiesen. Menschen also, die ungern alleine sind.
    Wir sind aufgewachsen in einer Welt, der die Sicherheiten, die einfachen Erklärungen abhanden gekommen sind. Und dennoch blicken wir positiv in die Zukunft, weil uns immer das Gefühl gegeben wurde, dass wir es schaffen können, wenn wir nur wollen. Dass alles nicht ganz so sicher und vorhersehbar ist wie früher, finden wir eigentlich gar nicht so schlimm. Denn im Grunde erfüllt es doch irgendwie den Anspruch, den schon die 68 er Generation an ihr Leben stellte – und den sie nur teilweise umsetzen konnte: Hauptsache nicht langweilig.
    Die Alten haben das Fundament gelegt für vieles, was auch uns heute wichtig ist. Sie haben sich für Frieden eingesetzt, für Europa, für eine globalisierte Welt. Sie haben Fair Trade und Biolebensmittel zur Normalität gemacht.
    Jetzt ist es trotzdem an der Zeit, dass wir übernehmen. Dass wir ihnen beweisen, dass wir tatsächlich alles schaffen können, wenn wir es nur wollen. Dass unser Pragmatismus, unser Selbstbewusstsein und unsere Fähigkeit zur (Selbst-)Reflexion genau das ist, was die Gesellschaft jetzt braucht. Denn wir sind es, die nach wie vor an die globalisierte Welt, an ein vereintes Europa glauben – weil wir es uns einfach nicht anders vorstellen können. Wenn wir heute einen D-Mark-Schein sehen, dann kommt uns der vor wie Spielgeld aus Mittelerde, so lange ist es für uns schon her, dass wir tatsächlich mit diesem Geld bezahlen konnten.
    Deswegen ist es falsch zu sagen, wir seien unpolitisch – nur weil wir es auf eine andere Art und Weise sind als unsere Eltern. Es ist falsch zu sagen, wir seien
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