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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Autoren: Hannah Beitzer
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Vielfalt in den ersten Reihen? 19 -Jährige können hier ebenso mitreden wie 80 -Jährige.
    Und: Die Piratenpartei sprach genau zum richtigen Zeitpunkt aus, was viele von uns dachten, aber nicht wirklich artikulierten. Was viele störte, was wir aber irgendwie einfach hinnahmen. Sie hat vielen eine Stimme gegeben, die das Unbehagen über die derzeitige Politik vereinte. Deswegen wäre es auch grundfalsch anzunehmen, die Ideen der Piraten könnten mit der Partei im Nirgendwo verschwinden. Selbst wenn die Piraten sich nicht etablieren – die Unzufriedenen werden bleiben. Und sie haben jetzt gesehen, dass es nicht unmöglich ist, das politische System ordentlich aufzuwirbeln.
    Denn die Piraten haben gezeigt, dass es in der Politik vor allem auf eines ankommt: Einfach mal zu machen, anstatt endlos zu grübeln, sich auch mal was zu trauen, anstatt immer nur zu zaudern. Vielleicht waren die Piraten genau das, was die junge Generation brauchte, um endlich den Mund aufzumachen.
    Und auch aus den heftigen Geburtswehen der Piraten haben wir schon jetzt sehr, sehr viel gelernt. Dass Offenheit nur an manchen Stellen der Politik wirklich gut tut, zum Beispiel. Dass das Internet nicht nur Barrieren abbaut, sondern gleichzeitig auch neue schafft. Dass wir nämlich schnell dazu neigen, uns in unserer Filterbubble einzukapseln und anzunehmen, dass sich dort ein repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung tummelt.
    Die wichtigste Lehre ist aber vielleicht, dass eine allzu naive Herangehensweise an das Thema Macht keinen wirklich weiter bringt. Die Piraten wollten auf Führungsfiguren verzichten und in der Politik übliche Hierarchiestrukturen aufbrechen. Dieser Versuch ist kläglich gescheitert. Nicht nur, weil sie ab einem bestimmten Zeitpunkt ziemliche Schwierigkeiten hatten, ihre Ziele und vor allem ihre neu gefassten Beschlüsse nach außen zu kommunizieren; oder weil im entscheidenden Moment – wie zum Beispiel in der Debatte um die Nebeneinkünfte von Politikern – jemand fehlte, der schnell den Mund für die Piraten aufmachte. Sondern auch, weil die Piraten selbst natürlich nie ein hierarchiefreies Gebilde waren. Dieser Umstand kam auf ziemlich unschöne Weise ans Licht, als die Umfragewerte stiegen. Allzu schnell lernten die Politikneulinge, wie man einen unliebsamen Konkurrenten gezielt diskreditiert, wie man interne Machtkämpfe geschickt über die Medien nach außen spielt, wie man seine Interessen gegen innerparteiliche Konkurrenten durchboxt. Und allzu schnell verstanden es einige wenige, sich in den Vordergrund zu spielen, ihre Netzwerke auszunutzen. Und wie könnte es anders sein, bald waren es dann häufig doch wieder die Lauten, die mit dem dicken Fell, die Biegsamen, die, die ordentlich austeilen aber auch ordentlich was wegstecken können, die noch übrig waren und die Piratenpartei als Bühne nutzten. Vom sagenumwobenen «Themen statt Köpfe» war relativ rasch nichts mehr übrig.
    Der Anspruch war ohnehin von Anfang an falsch gesetzt. Ohne Köpfe bringt eine Partei auch keine Themen rüber. Auch wenn viele Leute die Nase voll haben von den typischen Machtpolitikern, heißt es nicht, dass sie sie ersatzlos streichen wollen. Eine Politik ohne Menschen, die sie vorleben, verteidigen, erklären, die um sie streiten, sie leidenschaftlich einfordern, wäre ähnlich interessant und zugänglich wie die Straßenverkehrsordnung. Sie würde die Menschen nicht erreichen, sie nicht bewegen, sie nicht zum Nachdenken bringen.
    Und da Politik nun einmal so funktioniert, ist es auch normal, dass es Konkurrenz gibt, dass Politiker um die Gunst der Bürger wetteifern, dass sie mit ihren Gesichtern für etwas einstehen und dabei versuchen, andere Politiker auszustechen. Netzwerke sind hier ebenso normal wie Machtstrukturen – nur die Frage, wie diese Strukturen aufrechterhalten werden und wie sie auch von außen einzusehen sind, die sollte uns beschäftigen. Diese Netzwerke dürfen nicht undurchdringlich und ihre Handlungen müssen nachvollziehbar sein – denn sonst wenden sich alle, die ihnen nicht angehören, automatisch irgendwann ab, weil die Perspektive, etwas zu verändern und zu beeinflussen, fehlt.
    «Endlich haben wir unseren Generationenkonflikt!», so hieß ein Artikel von mir, den ich kurz nach der Berlin-Wahl in der
Süddeutschen Zeitung
veröffentlichte und aus dem dieses Buch entstanden ist. Darin vertrat ich die These, dass die Piraten eben die relevante politische Bewegung der jungen Generation seien, die nun
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