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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Autoren: Hannah Beitzer
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(«Sei bescheiden!»), dass sie kein Talent haben zum Schwanzvergleich, dass sie sich selbst zu negativ bewerten.
    Aber gleichzeitig hat die typisch weibliche Erziehung auch Vorteile für Unternehmen. In Konferenzen, in denen eine kritische Masse von Frauen anwesend ist, wird oft, so erzählen es viele meiner Freunde, weniger geprotzt und gelabert und mehr gearbeitet. Frauen seien sachorientierter und weniger statusfixiert als Männer.
    Interessant ist auch, was mir Freundinnen erzählen, die in einer kleinen Beratung arbeiten, die ausschließlich von Frauen geführt wird. Sie berichten tatsächlich, dass im Team mehr geredet wird, dass die Chefinnen mehr Wert darauf legen zu erfahren, wie es den Mitarbeitern geht, dass sie Beschwerden ernster nehmen, mehr «ausdiskutieren». Dass sie sich also tatsächlich am ehesten wie Mütter verhalten: manchmal streng, manchmal verständnisvoll, durchaus führungsstark, aber eben trotzdem anders als Männer.
    Sobald es aber nicht ums eigene Team, sondern um Konkurrenten auf der gleichen Hierarchieebene, um Kunden oder andere Entscheider gehe, sei es dann auch vorbei mit der Mütterlichkeit. «Ganz ohne das typische Machtgerangel kommt man da nicht aus», sagen meine Freundinnen. Und auch sie, als jüngere Beraterinnen, spielen das Spiel mit, um nicht in die Falle zu tappen, in die (junge) Frauen oft treten: fleißig zu arbeiten, Dinge voranzubringen – aber die eigenen Erfolge nicht genügend herauszuposaunen, in dem Glauben, dass sie von allein bemerkt werden.
    Dieses Verhalten bestätigt das häufig gegen eine Frauenquote genannte Argument, dass diejenigen Frauen, die bisher schon in Führungspositionen sind, oft «männlicher» seien als alle Kerle. Dass sie genauso hart auftreten würden, genauso eiskalt seien, genau wie die Männer ihre Familie hintanstellten. Da ist mit Sicherheit etwas Wahres dran. Doch wie sollte es auch anders sein? Fürs Fleißigsein und Nettsein alleine wird niemand befördert, ein bisschen muss man sich auch an die Regeln des Spiels anpassen. Die Alternative ist, als ewiges fleißiges Lieschen jene Leute an sich vorbeiziehen zu sehen, die kein Problem damit haben, sich selbst als tollen Hecht hinzustellen.
    Denn bisher kommt eben nur derjenige nach oben, der seine Persönlichkeit und sein Leben danach ausrichtet, was verlangt wird. Das reicht hoch bis in die obersten Hierarchieebenen. Es zählt nicht nur das Erreichte allein, sondern auch der Schein. Ein Chef, der abends pünktlich nach Hause geht, um das Kind aus der Tagesstätte zu holen? Kommt so gut wie nicht vor. Ein Chef, der in Teilzeit arbeitet? Absolut undenkbar.
    Damit sitzen dann also oft, so heißt es, Frauen in den Chefsesseln, die das alte System erhalten, anstatt junge Frauen zu fördern, die vielleicht ein bisschen anders sind. Die genauso wie jeder männliche Chef darauf pochen, dass Familie und Karriere zusammen eben nicht gehen. Berüchtigt sind zum Beispiel die Thesen Bascha Mikas, die verkürzt oft so zusammengefasst wurden: Selbst schuld, wenn ihr alle Kinder wollt und euch freiwillig in die Abhängigkeit von einem Mann begebt. Damit verfällt die alte Feministin seltsamerweise in Argumentationsmuster, wie sie jeder Konservative nicht besser hinkriegen könnte: Entscheidet euch, Kind oder Karriere. Gerade junge Frauen ärgern sich regelmäßig grün und schwarz über solche Aussagen.
    Aber woher sie kommen, ist doch ganz klar: Die Chefinnen von heute haben oft auf viel verzichtet, um dort hinzukommen, wo sie sind. Sie haben sich für einen Lebensentwurf entschieden, den sie permanent verteidigen mussten – gegen Kollegen, die sie als eiskalte Karrierefrau verachteten, gegen ihre Eltern, die sich vielleicht zwanzig Enkel gewünscht hätten. Gegen ihre Partner, die oftmals noch nicht in dem Glauben erzogen wurden, dass auch ein Mann im Haushalt mehr Aufgaben übernehmen kann, als hin und wieder zu kochen und den Müll rauszutragen.
    Dabei gäbe es so viele Möglichkeiten: Warum können sich nicht zwei junge Mütter oder Väter einen Chefposten teilen? Warum können Mitarbeiter in vielen Unternehmen nicht ein paar Jahre Teilzeit arbeiten und trotzdem Verantwortung übernehmen? Warum ist der Wiedereinstieg oft so schwer? Warum gibt es vielerorts immer noch keine Kinderbetreuung, die sich nach den Arbeitszeiten der Eltern richtet, anstatt pünktlich um 17  Uhr zu schließen? Den Frauen, die nach oben wollen, bleibt oft gar nichts anderes übrig, als sich an den alten Rhythmus
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