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Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)

Titel: Wir wollen nicht unsere Eltern wählen: Warum Politik heute anders funktioniert (German Edition)
Autoren: Hannah Beitzer
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muss sich ändern. Wer in Deutschland Karriere in einer Partei machen will, der muss zumeist die Familie hintenanstellen, einen Partner haben, der ihm die Kindererziehung «abnimmt». Deutsches Parteiengagement spielt sich zunächst vor allem an Stammtischen ab und an den Wochenenden. Für jemanden, der regelmäßig sein Kind ins Bett bringen will, der samstags mit Sohn und Tochter ins Schwimmbad will, anstatt Schiffe zu taufen und an Infoständen herumzustehen, ist das kaum machbar.
    Jetzt könnte man wieder laut «Luxusprobleme» schreien. Denn bei den meisten Familien geht es ja überhaupt nicht um irgendeine hochtrabende Karriere, sondern schlicht darum, Geld ranzuschaffen. Viele können es sich gar nicht leisten, dass ein Elternteil über Jahre zu Hause bleibt. Aber die Probleme dieser Familien sind grundsätzlich doch dieselben wie die der privilegierten Akademiker. Sie wissen nicht, wie sie gleichzeitig auf ihre Kinder aufpassen und arbeiten können.
    Frauen sind von diesen Problemen noch stärker betroffen als Männer. Nicht umsonst sind allein erziehende Mütter besonders oft arm, nicht umsonst haben Frauen am Ende ihres Lebens häufig nicht genügend Rente, um über die Runden zu kommen. Und man muss überhaupt keine Topmanagerin werden wollen, um in seinem Job als Mutter ausgebremst zu werden. Auch allen anderen würde es helfen, wenn es nicht so verdammt schwer wäre, zu arbeiten, obwohl man Kinder hat.
    Und sexuelle Übergriffe, Geringschätzung und verbale Angriffe betreffen alle Frauen – nicht nur die Alpha-Frauen mit guten Jobs und passablen Karriereaussichten. Sie betreffen das Zimmermädchen im Hotel, dem der Gast splitterfasernackt die Tür aufmacht, die Auszubildende, die vom Chef angetätschelt wird, die Kellnerin, der die Gäste Geld in die Hose stecken, und so weiter und so fort.
    Von der Politik fühlen sich viele Frauen hier im Stich gelassen. Dieses Gefühl brach sich unter anderem in der teilweise hysterischen Diskussion um das Betreuungsgeld Bahn. Junge Familien erwarten eigentlich von der Politik nichts anderes, als dass sie versucht, die größten Stolpersteine für junge Familien aus dem Weg zu räumen. Und das ist nun mal die mangelnde Kinderbetreuung, vor allem in Großstädten, wo es sich junge Familien oft allein aus Geldgründen nicht leisten können, dass einer ewig zu Hause bleibt und auf die Kinder aufpasst, und wo die Großeltern häufig nicht greifbar sind.
    Von der Piratenpartei ist hier nicht besonders viel zu erwarten. Gerade in Fragen der Gleichberechtigung ist sie hinter den etablierten Parteien zurück. So waren Ausgangspunkt für Meiritz’ Essay ausgerechnet die Piraten, die ja eigentlich als neue, fortschrittliche Kraft angetreten sind, die herkömmliche Geschlechterzuschreibungen offiziell für überholt halten, sich lange Zeit gar als «Post-Gender-Partei» gerierten. Meiritz schildert in «Man hört ja so einiges über Sie», wie aus der Partei Gerüchte gestreut wurden, sie habe ein Verhältnis mit einem ihrer Informanten, um so ihre Arbeit zu diskreditieren. Sicher, viele Vertreter der Piraten stellten sich hinter Meiritz, als die Gerüchte aufkamen, doch andere wollten den Sexismus in der eigenen Partei partout nicht als solchen erkennen, warfen der Autorin Kampagnenjournalismus vor, relativierten die Angriffe («War nicht so gemeint») und beschwerten sich über «Verallgemeinerung» – als sei die Journalistin, die ja nur ihre persönlichen Erfahrungen beschrieben hatte, schuld an der Debatte und nicht diejenigen, die sie im Netz als «Prostituierte» beschimpften. Und dann gab es sogar einige, die wiederum jenen Empörten, die Meiritz in Schutz nahmen, Diskriminierung vorwarfen – schließlich sei «Prostituierte» ein ehrbarer Beruf, der nur von unaufgeklärten Trotteln tatsächlich als Beschimpfung verstanden werden könne.
    Relativieren, leugnen, die Schuld den anderen geben, ablenken: dieses Verhalten zeichnet die Partei in Genderfragen ganz allgemein aus. So setzten sich die Piraten lange nicht ernsthaft damit auseinander, warum sich in der Partei so wenige Frauen engagieren. Wie viele es sind, weiß keiner, weil das Geschlecht der Mitglieder nicht erhoben wird. Das Ergebnis sieht man dann immer, wenn wichtige Posten besetzt werden, es kandidieren aller nach außen propagierten Offenheit zum Trotz fast ausschließlich Männer. Wer die Piraten darauf anspricht, hört allzu oft nur Ausflüchte.
    Jede Frau könne sich schließlich engagieren, man könne
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