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Bleib ungezaehmt mein Herz

Titel: Bleib ungezaehmt mein Herz
Autoren: Jane Feather
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Prolog
    Die Feder kratzte über das Pergament. Ein Holzscheit knisterte im Kamin. Das flackernde Talglicht loderte jäh auf, als der Nachtwind in einem scharfen Luftzug durch die schlecht schließenden Fensterläden drang.
    Der Mann an dem Tisch hielt einen Moment im Schreiben inne. Er tauchte seine Feder in das Tintenfaß und blickte sich in dem schwach erleuchteten, schäbigen Zimmer um. Die holzverkleideten Wände waren von Rissen durchzogen, in denen sich der Ruß von Jahren angesammelt hatte, der Fußboden war klebrig unter seinen Stiefeln. Er hüllte sich fester in seinen Umhang und schaute auf das Feuer. Es war ziemlich heruntergebrannt. Er bückte sich und nahm ein Holzscheit aus dem Korb. Dann ließ er es wieder zurückfallen. Diese Extravaganz brauchte er nicht. Nicht jetzt... nicht mehr in wenigen Minuten.
    Er wandte sich wieder seinem Schriftstück zu, und das Kratzen der Feder verursachte das einzige Geräusch. Dann griff er nach der Sandbüchse und bestreute den Brief. Ohne noch einmal durchzulesen, was er geschrieben hatte, faltete er das Blatt mit peinlicher Sorgfalt, ließ einen dicken Klecks Kerzenwachs darauf tropfen und drückte seinen Siegelring hinein. Eine Minute lang saß er reglos da und starrte auf die Initialen, die in das Wachs eingedrückt waren: G D. Dann schrieb er etwas auf die Vorderseite des Briefes.
    Er stand vom Tisch auf und lehnte den Brief gegen einen stumpfen Kerzenhalter auf dem Kaminsims. Die Flasche auf dem Tisch enthielt noch ein wenig Weinbrand. Er goß ihn in ein Glas und stürzte ihn einem Zug hinunter, wäh-rend er das rauhe Brennen auf seiner Zunge und die Wärme genoß, als die Flüssigkeit seine Kehle hinunterrann. Es war ein recht kerniges Gebräu für einen Mann, der einstmals nur die feinsten und teuersten Cognacsorten gekannt hatte, und dennoch vermittelte es Trost.
    Er ging zur Tür und öffnete sie leise. Im Gang war es dunkel und still. Auf leisen Sohlen schlich er den Korridor hinunter und blieb vor den beiden gegenüberliegenden Türen am Ende stehen. Vorsichtig drehte er den Knauf der Tür zu seiner Rechten. Sie schwang auf, und er stand in der Türöffnung, spähte durch die Dunkelheit zu dem Umriß des Bettes und der Erhebung unter den Decken. Seine Lippen bewegten sich lautlos, als wollte er den Schlafenden segnen, dann schloß er die Tür wieder mit der gleichen Behutsamkeit und wiederholte den Vorgang in der anderen Türöffnung.
    Er kehrte in das von Kerzen erhellte Zimmer zurück, schloß die Tür hinter sich und trat an den Tisch. Er zog eine Schublade auf und nahm die silberbeschlagene Pistole heraus. Er drehte die Kammer. Nur eine einzige Kugel steckte darin. Aber mehr brauchte er auch nicht.
    Der einzelne Schuß erschütterte die Stille der Nacht. Der Brief auf dem Kaminsims trug die Widmung: Sebastian und Judith - meine über alles geliebten Kinder. Wenn Ihr das hier lest, werdet Ihr am Ende verstehen.

1. Kapitel
    Was zum Teufel tat sie da? Marcus Devlin, höchst ehrenwerter Marquis von Carrington, tauschte geistesabwesend sein leeres Champagnerglas gegen ein volles aus, als ein Lakai mit einem Tablett an ihm vorbeiging. Er stieß sich mit den Schultern von der Wand ab und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, um besser durch den überfüllten Raum zu dem Makaotisch hinübersehen zu können. Sie führte etwas im Schilde. Jedes prickelnde Härchen in seinem Nacken sagte ihm das.
    Sie stand hinter Charlies Stuhl und fächelte sich mit trägen Bewegungen Kühlung zu. Dann beugte sie sich vor, um Charlie etwas ins Ohr zu flüstern, und dabei enthüllte das Dekollete ihres Abendkleids schamlos die üppige Rundung ihrer Brüste, den tiefen Schatten der Spalte zwischen ihnen. Charlie blickte zu ihr auf und lächelte; das sanfte, anbetungsvolle Lächeln eines schwärmerisch Verliebten. Den Marquis überraschte es nicht sonderlich, daß sich sein junger Cousin Hals über Kopf in Miss Judith Davenport verliebt hatte. Es gab kaum einen Mann in Brüssel, dessen Blut sie nicht in Wallung versetzte: ein Geschöpf voller Gegensätzlichkeiten, dynamisch, temperamentvoll, hochintelligent - eine Frau, die für einen Mann auf undefinierbare Art eine Herausforderung darstellte, ihn in der einen Minute forderte und schon in der nächsten so süß und anschmiegsam wie ein Kätzchen war, so daß ein Mann den Drang verspürte, sie auf seinen Schoß zu ziehen und in die Arme zu nehmen, um sie vor den Widrigkeiten des Lebens zu beschützen...
    Romantischer Unsinn!
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