Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
Vom Netzwerk:
meiner Schwester.
    Als ich im Bett lag und Mama und Papa mir eine gute Nacht gewünscht hatten, konnte ich lange nicht einschlafen. Durch das gekippte Fenster drangen ganz andere Geräusche zu mir ins Zimmer als in unserer alten Wohnung. Ich hörte Spaziergänger einander etwas Zurufen, zwei Hunde bellten, irgendwo fuhr ein Motorrad langsam heran. In der Wohnung neben uns schien jemand gerade zu duschen, danach ging die Klospülung.
    Im Treppenhaus fuhr der Fahrstuhl an unserer Etage vorbei und hielt im neunten Stock. Und vielleicht, ganz vielleicht, drang leise türkische Musik aus Kerims Wohnung bis zu mir nach unten. Ganz sicher war ich nicht. Und noch während ich darüber nachdachte, muss ich eingeschlafen sein.

Treffpunkt Delfinbrunnen

    Als ich am nächsten Morgen wach wurde, musste ich einen Moment lang überlegen, wo ich war, doch dann fiel es mir wieder ein. Ich dachte daran, dass mich Kerim um zehn abholen wollte, und beeilte mich mit dem Anziehen und Frühstücken. Emma schlief noch, und zuerst dachte ich, na gut, ihr Pech, dann gehe ich eben mit meinem neuen Freund alleine raus. Aber als Kerim an unserer Wohnungstür klingelte, kam sie plötzlich fertig angezogen aus ihrem Zimmer gestürmt und war sogar schneller an der Tür als ich. Im Stehen schlang sie eine Schüssel Cornflakes hinunter und streifte sich ihre Sandalen über. Dann riefen wir Mama einen kurzen Gruß zu und wollten gehen.
    »Wartet doch mal!«, rief sie. »Ihr könnt doch nicht einfach so verschwinden! Wo geht ihr denn hin, und irgendwann müsst ihr doch auch zum Mittagessen nach Hause kommen!«
    Kerim drehte sich um. »Um eins gehen sowieso alle«,
    meinte er. »Dann ist bis drei Uhr Mittagsruhe. Sonst kriegen wir es mit der Meckerliese zu tun.«
    »Mit der Meckerliese?«, wiederholte Mama erstaunt.
    Kerim grinste. »Die werden Sie schon noch kennenlernen«, versprach er genau wie mir am Abend vorher. Dann konnten wir endlich gehen.
    Im Treppenhaus wollte ich den Fahrstuhl holen, aber Kerim schüttelte den Kopf.
    »So läuft das nicht«, sagte er. »Jedenfalls nicht morgens. Erst holen wir die anderen ab.« Schon stürmte er mir voran die Treppe hinunter und klingelte fast in jeder Etage an mindestens einer Tür, mit einem besonderen Klingelzeichen: zweimal kurz, einmal lang. Eine Wohnungstür nach der anderen wurde geöffnet, und schon bald hallte das ganze Treppenhaus von den Schritten der vielen Kinder, die er auf diese Art abholte. Ich freute mich besonders darüber, dass offenbar niemand außer Kerim über mir wohnte. Wenn Kerim mal nicht da war, konnte ich bei allen klingeln und war dann vielleicht auch der Boss. Aber eigentlich hoffte ich, dass er immer da sein würde.
    Als wir unten ankamen und Kerim die Haustür aufzog, drängten mit uns insgesamt sieben Kinder ins Freie. Und dann sah ich ihn endlich aus der Nähe - den Springbrunnen, der mitten in unserem Hof steht. Die steinernen Delfine sprühten wieder ihre Fontänen in die Luft, ringsum glitzerte alles unter den Wassertropfen. Ein paar Spatzen badeten in den kleinen Pfützen, die sich auf der Umrandung gebildet hatten, und zu unseren Füßen wackelte eine Taube beim Gehen mit dem Kopf. Alles kam mir so vor, als würde ich vor einer berühmten Sehenswürdigkeit stehen. Auch Emma riss die Augen auf und rannte gleich los, um ihre Hand in das Becken zu halten. Ein etwas pummeliges, blondes Mädchen, das etwa so groß war wie sie, löste sich aus unserer Gruppe und folgte ihr. Sie schleifte einen Hund an der Leine hinter sich her, einen kleinen, stämmigen mit kurzer Nase und ebenso kurzen, krummen Beinen. Er hatte offenbar nicht viel Lust zu laufen, denn er setzte sich immer wieder hin und schnaufte ein bisschen, wie alte Leute es machen, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Sein Gesicht sah genauso grimmig aus wie das des Mädchens. Aber das kam vielleicht nur dadurch, dass sein Unterkiefer herausragte und das Fell auf seiner Stirn Falten schlug. Er ging auf Emma zu und wedelte mit seinem Stummelschwanz, daran konnte ich gleich sehen, dass er in Wirklichkeit ganz lieb war. Emma beugte sich auch hinunter und streichelte ihn am Kopf. Das blonde Mädchen guckte immer noch böse.
    »Im Springbrunnen darf man nicht baden«, sagte es.
    »Wollte ich doch gar nicht«, verteidigte sich meine Schwester erschrocken. »Ich wollte nur mal fühlen, wie kalt das Wasser ist.«
    Ich ging zu Emma, um sie zu verteidigen, denn sie sah richtig erschrocken aus und ihr Mund zitterte ein bisschen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher