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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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wie er das immer macht, wenn sie gleich anfängt zu weinen. Ich wollte auf keinen Fall, dass sie gleich an unserem ersten Morgen am Brunnenplatz heult. Das hätte ja auch auf mich abgefärbt. Der große Bruder von der Heulsuse wollte ich nicht sein. Kerim baute sich vor dem dicken Mädchen auf.
    »Halt die Klappe, Celina«, sagte er. »Schämst du dich nicht, ein neues Kind hier gleich so anzuzicken? Als du eingezogen bist, hat das mit dir auch keiner gemacht! Man muss gastfreundlich sein!«
    Celina hob die Schultern und sah an Kerim vorbei.
    »Wenn sie jetzt hier wohnt, ist sie kein Gast«, erwiderte sie. »Außerdem wollte ich nur nicht, dass sie Ärger bekommt. Du brauchst dich gar nicht immer in alles einzumischen, Kerim.« Trotzdem reichte sie jetzt Emma die Hand. Emma schlug ein, und gleich darauf begannen die beiden über irgendwas zu flüstern, ich hörte nur das Wort »Angeber« und dass der Hund Hammer heißt und eine ganz seltene Bulldoggenart sei. Ich wendete mich lieber wieder Kerim zu. Der hatte sich inzwischen zu den anderen Kindern umgedreht und pfiff einmal kurz auf den Fingern. Augenblicklich wurde es still.
    »Leute, wie ihr seht, haben wir zwei Neue im Haus«, verkündete er und legte seinen Arm um meine Schultern. »Das hier ist mein Kumpel Olli und seine Schwester Emma steht da neben Celina. Ab heute gehören sie dazu. Alles klar?«
    »Ist klar«, antworteten die anderen im Chor. Einer nach dem anderen kam auf Emma und mich zu und gab uns die Hand, wobei sie einzeln ihre Namen murmelten. Alle konnte ich mir nicht merken. Aber ein Junge mit glatten, schwarzen Haaren und schmalen braunen Augen hinter runden Brillengläsern fiel mir auf, weil er ganz dick ausgebeulte Hosentaschen hatte. Er hieß Hung. Und Violetta erkannte ich natürlich gleich wieder. Hoffentlich werde ich jetzt nicht rot, dachte ich, als sie »Hallo« zu mir sagte. Kerim hatte nicht übertrieben, Violetta ist wirklich das schönste Mädchen von allen mit ihren langen, glänzenden Haaren, den engen Jeans und den silberfarbenen Sandalen. Wenn sie erwachsen ist, wird sie bestimmt ein Topmodel. Dicht neben ihr stand ein Junge, der noch kleiner war als Emma. Violetta sagte, dass er Benni heißt und dass sie manchmal auf ihn aufpasst. Sie hielt ihn an der Hand, aber plötzlich hat sich Benni losgerissen, ist auf den Springbrunnen zugerannt und balancierte auf dem Rand. Emma und Celina machten es ihm sofort nach. So, wie ich Emma kenne, wollte sie bestimmt die Delfine streicheln. Emma liebt Tiere über alles.
    »Da sagst du nicht, dass es verboten ist, Celina!«, rief Benni. An Emmas Augen sah ich, dass ihr das gefiel, aber sie sagte nichts, weil sie sich gerade so gut mit Celina verstand. Die Mädchen spielten, dass sie Seiltänzerinnen wären, bis Celina plötzlich ausrutschte und ins Wasser fiel. Ausgerechnet sie! Ihre Sandalen waren nass, ihre Socken waren nass und sogar der untere Saum ihres Rocks hatte ein bisschen Wasser abbekommen. Benni zeigte mit dem Finger auf sie und wollte gerade laut loslachen, da stürmte auch schon die Meckerliese auf uns zu.
    »Das ist ja wohl die Höhe!«, schrie sie und packte Celina am Arm, um sie aus dem Springbrunnen zu zerren. »Das ist hier keine Badeanstalt, verstanden? Heute Abend rufe ich deine Eltern an! Nichts als Dummheiten im Kopf habt ihr!«
    »Das war nicht mit Absicht«, sagte Kerim. »Sie ist nur vom Rand abgerutscht.«
    Ich stand ganz still und konnte nicht aufhören, die Meckerliese mit offenem Mund anzustarren. Zum ersten Mal sah ich sie aus der Nähe, und wenn nicht Kerim neben mir gestanden hätte, hätte ich wohl Reißaus vor ihr genommen. Die Meckerliese war bestimmt jünger als meine Oma, aber sie hatte unten nur zwei Zähne, ein wabbeliges Gesicht und auf dem linken Nasenflügel einen großen Leberfleck. Man hätte sie fast für eine Hexe halten können in ihrem schwarzen Wollrock und den braunen Lederschuhen mit schief gelaufenen Absätzen. Aber ihre Haare passten nicht dazu. Die lagen in ganz ordentlichen hellbraunen Locken um ihren Kopf, wie frisch vom Friseur. Dunkelroten Lippenstift trug sie auch. Hammer versuchte, seinen kleinen Stummelschwanz einzuziehen, und versteckte sich hinter Celina. Ich dachte, dass sein Name gar nicht zu ihm passt, wenn er so ängstlich ist. Mir wäre es lieber gewesen, Hammer hätte die Meckerliese ein bisschen angeknurrt. Er musste sie ja nicht gleich beißen.
    Emma sprang vom Beckenrand und kam auf mich zugerannt, Benni flitzte zu Violetta,
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