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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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packen musste«, belehrte mich Emma. »Da hatte sie keine Zeit. Wir kriegen es dieses Mal ein bisschen später.«
    »Lass mal«, sagte Kerim und klopfte mir auf die Schulter. »Es würde sowieso viel zu lange dauern, erst mit dem Fahrstuhl hochzufahren, deine Eltern anzubetteln und wieder runterzukommen. Ich weiß was Besseres. Kommt mal alle mit!«
    Kerim rannte plötzlich los, und wie immer sausten alle hinter ihm her. Wir flitzten durch eine Toreinfahrt, die auf einen großen Parkplatz führte. Die Autos standen alle auf Betonplatten, die genau im Abstand der Reifen verlegt waren. Zwischen den Platten lagen unzählige Steine, die aussahen wie kleine weiße Eier. Kerim bückte sich und hob einen davon auf. Der Stein war in der Mitte durchgebrochen und ich sah, dass er innen glitzerte wie silberner Staub.
    »Die sind bestimmt wertvoll!«, vermutete Emma.
    »Auf jeden Fall sind sie schön«, meinte auch Kerim. »Und deshalb suchen wir uns jetzt die besten aus und verkaufen sie. Dann haben wir bestimmt bald genug Geld für Süßigkeiten!«
    Wir sammelten jeder so viele Steine, wie in die Hosentaschen oder in unsere Hände passten. Dann zogen wir zurück zum Brunnenplatz. Dort legten wir die Steine auf den Beckenrand, aber da fielen sie zu wenig auf, weil der auch aus hellen Steinen gemauert war. Hung hatte ein sauberes dunkelblaues Halstuch dabei, das er auf dem Boden ausbreitete.
    »Wozu trägst du denn das mit dir herum?«, fragte ich ihn. »Es ist doch viel zu heiß für ein Halstuch.«
    »Man kann es als Dreieckstuch nehmen, falls sich einer am Arm verletzt«, antwortete Hung. Mit geübten Bewegungen zeigte er uns, wie man das Tuch richtig knotete, am Körper befestigte und den verletzten Arm hineinschob, um ihn ruhig zu stellen. »Ich will nämlich später mal Arzt werden«, verkündete er.
    Aber jetzt brauchten wir sein Tuch als Unterlage für die schönen Glitzersteine, die wir verkaufen wollten. Zusammen suchten wir die besten aus und legten sie darauf. Auf dem blauen Stoff sahen sie fast aus wie in einem Museum oder beim Juwelier. Schon nach wenigen Minuten kam eine Frau mit zwei schweren Einkaufstaschen vorbei, stellte sie ab und betrachtete die Steine eingehend.
    »Die sind aber schön«, bemerkte sie. »Was kostet denn einer?«
    »Die kleinen zehn, die größeren zwanzig Cent«, sagte Celina schnell.
    »Dann möchte ich bitte vier von den großen«, sagte die Frau. »Die kann ich wunderbar für meine Tischdecke auf dem Balkon nehmen, damit der Wind sie mir nicht immer fortweht.«
    Kerim und Celina suchten ihr die vier schönsten und größten Steine aus, und die Frau gab uns einen Euro.
    »Wir können aber noch nicht wechseln«, sagte Hung. »Sie sind nämlich unsere erste Kundin.«
    »Oh, das macht nichts.« Die Frau lächelte uns an. »Die Steine sind bestimmt auch einen ganzen Euro wert.«
    Violetta ordnete schon die übrig gebliebenen Steine auf dem Halstuch neu an, sodass man gar nicht mehr sah, dass die besten schon weg waren. Dabei suchte sie einen besonders runden Stein aus und gab ihn der Frau.
    »Den gibt es gratis dazu«, sagte sie.
    »Dann habe ich ja auch noch einen Briefbeschwerer!« Die Frau schien sich wirklich zu freuen. Aber als sie weg war, sagte Celina, Hung hätte sehr wohl wechseln können. Schließlich hatte er ja zwanzig Cent.
    »Stimmt«, gab er zu. »Daran habe ich gar nicht gedacht. Aber durch deine Zugabe sind wir mit ihr quitt.«
    »Wir hätten ihr die Taschen nach Hause tragen sollen«, meinte Violetta. »Die sind ja jetzt mit den Steinen noch schwerer.«
    »Vielleicht hätte sie uns dann noch mehr Geld gegeben!«, krähte Benni.
    »Eigentlich darf ich von Fremden nichts annehmen«, sagte Celina.
    »Du hast nichts angenommen, du hast was verkauft«, entgegnete Hung. »Und jetzt hör auf zu maulen, sonst vertreibst du uns die ganze Kundschaft.«
    Tatsächlich kam nun eine ganze Weile niemand. Nur einmal näherte sich ein Mann, und als er unsere Steine sah, runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf, ging aber weiter.
    »Der meldet das bestimmt dem Ordnungsamt!«, zischte Celina. »Man muss nämlich einen Gewerbeschein haben, wenn man auf dem Brunnenplatz was verkaufen will!«
    »Kinder müssen das ja wohl nicht«, erwiderte Kerim und zeigte ihr einen Vogel. »Das weiß ich von meinen Brüdern. Du willst dich nur wieder wichtigmachen, Celina.«
    Ich hatte ein bisschen Angst, dass die Meckerliese wieder kommen und uns verjagen würde, aber sie ließ sich nicht
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