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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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könnte kommen. Aber Hung hielt sie zurück.
    »Wenn es das nächste Mal regnet, verschwindet der Fleck von ganz alleine«, meinte er. »Außerdem ist das ja hier kein Schlosshof. Ich muss mein Experiment noch machen, außerdem haben wir noch so viele Eier übrig!«
    Sein Versuch bestand darin, dass er mit seiner Lupe die Sonnenstrahlen einfing und sie genau auf das nächste Spiegelei richtete. Zuerst passierte nicht viel. Dann aber stieg eine dünne kleine Rauchsäule auf, und gleich darauf schmurgelte das Eigelb und wurde ein bisschen schwarz.
    »liiiih!«, schrie Celina. »Spinnst du, das war mein Ei!«
    »Aber jetzt ist es richtig gar«, bemerkte Hung. »Und wir wissen jetzt, dass wir notfalls sogar ein Lagerfeuer machen könnten, falls uns die Umstände einmal dazu zwingen sollten.«
    »Fühl dich bloß nicht so wichtig.« Celina war immer noch sauer. »Was sollen das schon für Umstände sein?«
    »Zum Beispiel, wenn wir aus irgendeinem Grund nicht ins Haus können, etwa weil wir keinen Schlüssel haben oder ausgerissen sind. Dann müssen wir uns ja irgendwie Essen kochen können und für Wärme sorgen.«
    Da war Celina still. Ich hatte plötzlich sogar richtig Lust, zusammen mit den anderen Kindern auszureißen und uns allein durchzuschlagen. Besonders mit Kerim und Hung wäre das bestimmt ein spannendes Abenteuer.
    Das verschmurgelte Ei schmeckte fast noch besser als die anderen, aber danach hatten wir keine Lust mehr, Spiegeleier zu machen. Kerim bat Rima, den türkischen Kuchen von seiner Mutter in acht genau gleiche Teile zu teilen.
    »Wieso machst du das nicht selber?«, fragte Celina. »Rima ist doch nicht deine Dienstmagd.«
    »Bei uns machen so was immer die Frauen«, antwortete Kerim. »Ein Mann würde sich komisch Vorkommen, wenn er kocht oder am Tisch bedient.«
    »Außer in der Dönerbude«, warf Benni ein und nahm sich gleich ein Stück. »Da kochen die Männer.«
    Der türkische Kuchen schmeckte so süß, dass es mir richtig in einem Backenzahn zog. Mir fiel wieder ein, dass schon der Zahnarzt in unserer alten Gegend gesagt hatte, da müssten wir demnächst mal ran. Aber dann sind wir ja zum Brunnenplatz gezogen. Vielleicht würde der Schmerz noch mal eine Pause einlegen, wenn ich mir zu Hause ganz gründlich die Zähne putzte. Jetzt spülte ich erst einmal mit der Zitronenlimo nach, die Kerim herumreichte. Violetta hatte ein sauberes Taschentuch dabei, mit dem wir die Flaschenöffnung immer abwischen konnten. Celina tat das besonders gründlich. Natürlich sagte sie gleich wieder, sie will sich schließlich keine Krankheiten holen, dabei war gar keiner von uns krank.
    Als wir alles aufgegessen hatten und die Limoflasche leer war, räumten wir auf und warfen unseren Müll in den Abfallkorb neben einer der Bänke am Delfinbrunnen.
    »Komisch, dass keiner gemeckert hat«, überlegte Emma laut.
    »Wir waren ja leise«, antwortete Violetta. »Da hat vielleicht niemand was gemerkt.« Sie strich Benni über den Kopf, weil er sich auch viel besser benommen hatte als im Supermarkt.
    »Oder die Meckerliese ist krank«, sagte Celina und legte sich einfach auf die Bank. »Ich sonne mich jetzt.«
    Wir waren alle ein bisschen müde geworden. Wer auf der Bank keinen Platz mehr gefunden hat, legte sich auf die Randsteine des Delfinbrunnens. Ich zog auch mein T-Shirt aus, um ein bisschen braun zu werden. Benni legte sich nicht hin, sondern schnallte seine Sandalen ab und ließ die Füße ins Becken hängen, während Violetta im Wasser ihr Spiegelbild überprüfte und sich die Haare kämmte wie eine Meerjungfrau. Kerim holte einen kleinen Holzkasten aus dem Korb, in dem auch die Limo und der Kuchen gelegen hatten. Er klappte ihn auf, und darin war ein Spielfeld aus lauter spitzen Dreiecken zu sehen. Die Spielsteine dazu sahen aus wie die von unserem Mühlespiel zu Hause. Kerim sagte, das Spiel heißt Backgammon und in der Türkei würden es die Männer oft in der Mittagspause spielen.
    »Wenn du willst, bringe ich es dir bei«, bot er mir an. Natürlich sagte ich Ja und wir setzten uns unter einen der jungen Bäume, wo wenigstens ein bisschen Schatten war. Das Spiel hatte ich schnell begriffen und freute mich, als Kerim mir auf die Schulter schlug und sagte, ich sei gut. Danach spielte jeder von uns noch eine Runde gegen Hung, der beide Male gewann. Ich fand das nicht weiter schlimm, weil Hung ja schon viel länger Backgammon spielen konnte als ich. Aber an Kerims Gesicht konnte ich sehen, dass er sich ein
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