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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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gewesen. Man kann ja von fast allen Fenstern der Hochhäuser aus sehen, was unten gerade passiert.
    »Na und?«, sagte Kerim. »Wenn die Meckerliese kommt, rennen wir eben weg.«
    Wir fanden dann aber doch eine gute Stelle neben einer Toreinfahrt, die man vielleicht nicht von überall beobachten konnte. Sie lag genau hinter einem Stromkasten, da hatten wir wenigstens ein bisschen Deckung. Kerim öffnete seinen Eierkarton und sagte, wir sollten uns im Kreis auf den Boden setzen. Hung holte eine Lupe aus seiner Hosentasche und verkündete, er werde gleich ein Experiment vorführen.
    »Wir müssen aber erst sauber machen«, sagte Celina. »Ich will schließlich keinen Staub essen.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf?«, erwiderte Kerim. »Du wirst jetzt hoffentlich nicht nach Hause rennen und Eimer und Schrubber holen. Das geht doch auch so!«
    Aber dann zog er doch sein T-Shirt aus, fegte den Boden damit und goss eine Flasche Leitungswasser aus, die fast sofort verdunstete. Erst jetzt sah ich, wie braun gebrannt er war, viel mehr als wir anderen. Ich fragte ihn, woher das kam.
    »Von der Türkei«, antwortete er. »Da waren wir in der ersten Ferienhälfte. In der Türkei ist es noch heißer als hier, und wir haben jeden Tag im Meer gebadet.«
    »Noch heißer.« Celina zeigte ihm einen Vogel. »Du willst nur wieder angeben.«
    »Wetten?« Kerim schrie beinahe. »In Antalya sind es jetzt vierzig Grad, Mann! Da hältst du es nur im Wasser aus.«
    »Ich bin kein Mann«, widersprach Celina.
    »Ist es schön in der Türkei?«, wollte ich wissen. Ich sah Kerim vor mir, wie er mit anderen türkischen Jungs in die Wellen sprang und sie sich in ihrer Sprache etwas zuriefen. Vielleicht war er da sogar lieber als hier bei uns.
    »Noch schöner als hier«, antwortete er tatsächlich. »Im Sommer ist jeden Tag schönes Wetter und das Wasser sieht noch blauer aus als der Himmel. An den meisten Stellen ist es so klar, dass man bis auf den Grund gucken kann. Und abends spielen wir Jungs vor den Häusern Fußball, bis die Sonne untergegangen ist.«
    »Toll«, staunte ich.
    »Vielleicht kannst du mal mitkommen«, meinte Kerim. Er zog sein T-Shirt gar nicht erst wieder an. »Nächstes Jahr fahren wir wieder hin. Jeden Sommer.«
    »Macht jetzt endlich«, redete Emma dazwischen. »Ich hab Kohldampf.«
    Also öffnete Kerim seinen Eierkarton.
    »Nicht nur deine«, meckerte Celina gleich wieder. »Ich will jedenfalls mein eigenes Ei essen.«
    Das wollten wir eigentlich alle, aber Hung sagte, wir könnten sowieso immer höchstens zwei Eier auf einmal braten. Sonst würde es zu sehr auffallen. Violetta war die Erste, die ihr Ei aufschlagen durfte, zusammen mit dem für Benni. Und es klappte tatsächlich! Das glibberige, durchsichtige Eiweiß wurde fast sofort weiß und klebte am Boden. Hung zog sein Taschenmesser hervor und versuchte es zu lösen, wie Mama es auch in der Pfanne immer macht. Mit dem Eigelb dauerte es länger. Celina hielt stolz ihren Salzstreuer hoch und streute etwas Salz auf die beiden Eier. Dass sie das eigentlich Emma versprochen hatte, schien sie schon vergessen zu haben. Die schaute auch ganz empört, aber da war es sowieso schon zu spät. Zum Glück ist meine Schwester keine Zicke, die wegen so was gleich heult oder einen in den Arm kneift.
    Kerim riss sein Fladenbrot in lauter kleine Stücke und gab jedem von uns eines, und das war gut so. Ich hatte auf einmal Hunger wie ein Wolf, der drei Tage nichts gefressen hat, und wünschte mir, dass mein Spiegelei als Nächstes dran war.
    »Wir können doch alle unser Brot mal eintunken«, schlug plötzlich Violetta vor. »Dann müssen nicht manche warten, während die anderen schon essen.«
    Die Eier waren an der Oberfläche noch ein bisschen glitschig, deshalb konnte man gut etwas davon mit dem Brot aufnehmen. Wir passten auf, dass wir uns den ersten
    Bissen alle gleichzeitig in den Mund schoben. Dann kauten wir. Ich fand, es schmeckte köstlich.
    »Das ist das beste Spiegelei, das ich je gegessen habe«, meinte auch Benni und tunkte sein Brot gleich noch einmal ein. Aber es war ja auch eigentlich sein Ei.
    »Ein bisschen knirscht es zwischen den Zähnen«, sagte Celina. »Da ist doch noch Sand drunter.«
    »Du wirst schon nicht gleich dran sterben«, erwiderte ich. »Mein Papa sagt immer, Sand reinigt den Magen.«
    Als wir die beiden Eier aufgegessen hatten, war an der Stelle ein Fleck am Boden. Emma wollte schon aufstehen und wegrennen, weil sie Angst hatte, die Meckerliese
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