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Wir vom Brunnenplatz

Wir vom Brunnenplatz

Titel: Wir vom Brunnenplatz
Autoren: Christine Fehér
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wir konnten, zu unserem Hauseingang. Wir verabredeten, dass wir uns gleich nach dem Umziehen im zwölften Stock wieder treffen würden.
    »Von ganz oben sieht das Gewitter am tollsten aus«, meinte Kerim. Dann rannten wir alle in unsere Wohnungen, denn im Treppenhaus war es viel kühler als draußen und wir zitterten nun alle richtig. Ich freute mich auf meine trockenen Sachen.
    Emma und ich haben es gerade rechtzeitig in den zwölften Stock geschafft, bevor das Gewitter losbrach. Im Treppenhaus war es jetzt so dunkel, dass Emma das Licht einschalten wollte, aber Kerim hielt sie zurück und sagte, das würde die gute Aussicht verderben. Das Grollen, das wir schon draußen auf dem Platz vernommen hatten, kam näher und schwoll an. Rima und Emma krallten ihre Hände ineinander, stellten sich aber am Fenster auf Zehenspitzen, um gut sehen zu können. Inzwischen waren auch Hung, Celina, Violetta und Benni angekommen. Gleich darauf krachte der Donner so laut, dass wir alle gleichzeitig zusammenzuckten.
    »Mamiii!«, jaulte Emma auf. Aber sie duckte sich nicht, sondern blieb tapfer am Fenster stehen. Ich hatte ein Gewitter noch nie so gesehen. An einer Stelle konnten wir sogar zwischen zwei Hochhäuser schauen und sahen dem Gewitter zu, wie es sich über der ganzen Stadt entlud. Der Regen prasselte auf die Erde, im Nu bildeten sich riesige Pfützen auf dem Brunnenplatz und Rinnsale, die alle zu einem breiten Gully führten. Außerdem war ein Sturm aufgekommen, der unter die Markisen der Balkone fuhr und an den Sonnenschirmen zerrte.
    Auf einmal krallte sich Hung in meinen Arm.
    »Der Fahrstuhl kommt hoch!«, flüsterte er. »Bestimmt bekommen wir wieder Ärger.«
    Ich blickte zum Schacht, und da sah ich den Fahrstuhl auch schon nach oben gleiten. Wir alle sahen uns nach einem Fluchtweg um, aber natürlich gab es keinen. Der Fahrstuhl hielt und ein Mann stieg aus, ich atmete erleichtert auf, als ich sah, dass es nur der Briefträger war. Der hat ja nicht über uns zu bestimmen. Sein Hemd war vollkommen durchnässt und mit einem Stofftaschentuch wischte er sich das Gesicht trocken. Dann entdeckte er uns.
    »Oh, gut, dass ich euch treffe«, sagte er. Erst jetzt bemerkte ich, dass er einen Brief in der Hand hielt, der ebenfalls schon nass geregnet war. »Jetzt habe ich alle Häuser am ganzen Brunnenplatz abgesucht, aber ich finde einfach nicht heraus, für wen dieser Brief sein soll. Könnt ihr den Namen entziffern?«
    »Zeigen Sie mal her.« Hung war schon zur Stelle und beugte sich über den Umschlag. »Das kann man ja wirklich kaum noch lesen, so verwischt ist die Tinte vom Regen.« Er rückte seine Brille zurecht. Ich war auch neugierig und schob mich zwischen den Briefträger und ihn.
    »Der ist für mich!«, rief ich. »Olli Vogel, ich kann es genau erkennen. Komisch, dass kein Absender drauf ist!«
    »Dachte ich auch«, stimmte der Briefträger mir zu.
    »Sonst hätte ich ihn glatt zurückgeschickt, nachdem ich so lange gesucht habe. Gut, dass ich euch getroffen habe.«
    »Das finden wir auch«, bekräftigte Kerim. »Vielen Dank!«
    Der Briefträger tippte sich gegen seine Briefträgermütze und stieg wieder in den Fahrstuhl.
    »Alle Mann mit zu mir!«, befahl Kerim, und da er gleich in dem Stockwerk wohnte, wo wir gerade standen, protestierte nicht einmal ich.
    Seine Mutter öffnete mit dem Baby auf dem Arm und Kerim lotste uns ins Badezimmer.
    »Wir nehmen den Föhn«, sagte er und stöpselte ihn bereits in die Steckdose. Rima machte sich an dem Umschlag zu schaffen.
    »Er geht ganz leicht auf«, verkündete sie. »Der Kleber ist auch schon ganz aufgeweicht.« Schon holte sie den Briefbogen heraus, aber da baute sich Celina vor ihr auf.
    »Hast du schon mal was vom Briefgeheimnis gehört?« Du darfst den nicht lesen.«
    »Wer hat gesagt, dass ich ihn lesen will?«, fragte Rima. Aber ich hatte mich schon über ihre Schulter gebeugt. »Krass«, entfuhr es mir. »Lauter aufgeklebte Buchstaben aus Zeitungen und Comics! Wie bei einem echten Verbrecherbrief! «
    »Die Botschaft ist aber nicht wie von einem Verbrecher«, fand Hung und las gleich vor. »Sei am letzten Samstag vor Ferienende am Delfinbrunnen und du wirst eine Überraschung erleben. - Was für eine Überraschung, Olli? Was kann das sein?«
    »Wenn ich das wüsste«, entgegnete ich düster, denn mein Herz klopfte zum Zerspringen vor Aufregung. »Eigentlich hört sich das Wort Überraschung ja nach etwas Gutem an. Aber Briefe aus Zeitungsbuchstaben sind meistens
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