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0739 - Varneys Rache

0739 - Varneys Rache

Titel: 0739 - Varneys Rache
Autoren: Andreas Balzer
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Mai 1943
    Das Flackern der Kerzen tauchte die heruntergekommene Eingangshalle in ein gespenstisches Licht.
    Dieser baufällige Kasten ist kaum mehr als eine Ruine, dachte Ernst Steinbrenner genervt. Der SS-Offizier hatte die Halle mit einem Dutzend seiner Leute in Beschlag genommen und wartete auf den Professor, den er vom Personal hatte rufen lassen.
    »Ich habe nicht mit Ihrem Besuch gerechnet!«
    Aufgeregt tänzelte ein kleines Männlein um die 60 auf Steinbrenner zu: Professor Wilhelm Schmettke. Der Gelehrte trug einen fleckigen Kittel. Das schüttere, weiße Haar hing ihm in dünnen Strähnen wirr ins Gesicht.
    Der Obersturmbannführer musterte den alten Mann wie ein interessantes, aber ziemlich ekliges Insekt. In akademischen Kreisen hatte Wilhelm Schmettke einen hervorragenden Ruf genossen, bis er sich eher esoterischen Forschungen zugewandt hatte. Steinbrenner war es ein Rätsel, wie der Professor die Genehmigung und die Mittel für diese Projekt bekommen hatte, über das niemand etwas Konkretes wusste.
    Steinbrenner war schon optisch das genaue Gegenteil des verschrobenen Wissenschaftlers. Der 38-jährige SS-Mann war ein Mann der Tat. Aus dem brutal wirkenden, hageren Gesicht sprach mehr Durchsetzungsvermögen als Intellekt. Die blauen Augen unter dem kurz geschorenen, rötlichen Haarschopf flackerten gefährlich.
    »Sie hätten sich anmelden müssen«, lamentierte Professor Schmettke.
    »Damit Sie Zeit genug gehabt hätten, die Beweise vor uns zu verstecken?«
    »Wie können Sie es wagen? Der Führer…«
    »Ich bin auf direkten Befehl des Führers hier!«, unterbrach Steinbrenner den Älteren. Das stimmte nicht ganz, aber es verfehlte seine Wirkung nicht.
    »Also, womit kann ich Ihnen dienen, Herr Obersturmbannführer?«
    »Wir haben Informationen, dass Sie hier an widernatürlichen Experimenten arbeiten - mit Vampiren.«
    Der Professor wurde bleich. »Wer hat Ihnen…?«
    »Sagen Sie mir, dass das ein schlechter Witz ist«, erklärte Steinbrenner barsch.
    Schmettke sackte in sich zusammen. Tonlos sagte er: »Es ist wahr…«
    »Wie bitte?«
    »Ich arbeite an der Erschaffung einer neuen Kriegerrasse, Vampirsoldaten, wenn Sie so wollen«, erklärte der Wissenschaftler. Fast beschwörend setzte er hinzu: »Es könnte dem Krieg die entscheidende Wendung geben.«
    Ernst Steinbrenner verlor selten die Fassung. Doch jetzt war es so weit. »Professor, der Aufenthalt in dieser abergläubischen Gegend scheint Ihnen nicht gut zu bekommen.«
    Ein fast spöttisches Lächeln er schien auf dem Gesicht des Gelehrten »Meinen Sie? Warten Sie es ab. Ich zeige es Ihnen.«
    ***
    Professor Schmettke führte Stein brenner durch spinnwebenverhangene Kellergewölbe. Dass der SS-Mann die Hälfte seiner Männer mitnahm, hatte der Gelehrte mit einem missbilligenden Blick quittiert. Vor einer schwe ren Metalltür blieb er stehen.
    »Willkommen im Reich der Finsternis, meine Herren!«
    Mit einer lächerlich theatralischen Geste öffnete Schmettke die Tür. Das erste, was Steinbrenner sah, war ein ganz normales Labor in etwas rustikalem Ambiente. Im Gegensatz zur Eingangshalle erhellte kaltes elektrisches Licht den Raum. Überwiegend junge Wissenschaftler und Helfer beiderlei Geschlechts nahmen an mit wissenschaftlichen Apparaturen überladenen Labortischen Messungen vor oder führten chemische Untersuchungen durch.
    Und dann sah er sie. Rot glühende Augen starrten Steinbrenner an.
    »Mein Gott«, entfuhr es dem sonst wenig religiösen SS-Mann. »Es gibt sie also wirklich.«
    Drei menschliche Gestalten in zerfetzter Kleidung waren mit schweren Ketten an der hintersten Wand des Labors fixiert worden. Ihre Haut war unnatürlich bleich. Als sie ihre Zähne bleckten, sah er deutlich die langen Eckzähne. Obwohl die Vampire gefesselt waren, ging eine ungeheure Bedrohung von ihnen aus. Die in ihre Arbeit versunkenen Wissenschaftler schien dies völlig kalt zu lassen.
    »Sind sie nicht beeindruckend?«, fragte Schmettke mit fast väterlichem Stolz.
    Die linke Untote war eine wie Mitte zwanzig aussehende Frau von atemberaubender Schönheit. Lockiges, dunkles Haar umrahmte ihre markanten Gesichtszüge, die pure Verachtung ausdrückten. Der rechte Blutsauger hatte trotz seines Zustands etwas Dandyhaftes an sich.
    Er sieht aus wie ein Intellektueller, dachte Steinbrenner angewidert. Er hasste Intellektuelle. Sie gaben ihm ein Gefühl der Unterlegenheit.
    Am meisten aber zog der mittlere Vampir den Obersturmbannführer in seinen Bann. Er war
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