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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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hat keiner kapiert«, antwortete Mackenzie. »Er hat ständig was davon gefaselt, dass er »sie« aufhalten müsse, aber da war überhaupt niemand! Das ist jedenfalls das, was ich gehört habe. Dann hat irgendwer die Polizei gerufen, und die haben einen Arzt mitgebracht, um ihn ruhigzustellen. Er hat sich anscheinend eine Grippe eingefangen, nachdem er sich das Bein gebrochen hatte. Meine Mom wollte mal Krankenschwester werden, weißt du – sie hat gesagt, wenn das Fieber ziemlich hoch steigt, dann kriegt man Wahnvorstellungen; vielleicht ist das ja bei ihm passiert. Wieso sollte er sich sonst aufführen wie ein Irrer?«
    Ich hätte ihr erzählen können, was er am Donnerstag gesagt hatte. Doch wahrscheinlich würde sie ihren Mund nicht halten, und Rachel und ihre Mom hatten bestimmt schon genug am Hals, auch ohne dass ich auf den ganzen Tratsch noch eins draufsetzte.
    »Wie kommt Rachel damit zurecht?«, fragte ich. »Ich hab sie heute noch gar nicht gesehen.«
    »Ich auch nicht«, sagte Mackenzie. »Sieht so aus, als wäre sie zu Hause geblieben, oder vielleicht ist sie ja im Krankenhaus. Das könnte ich verstehen. Mir wäre auch jede Entschuldigung recht, um nicht in die Schule zu müssen.«
    Ich hoffe, es geht Rachel gut. Ich musste noch den ganzen Tag an sie und ihren Dad denken, aber ich wollte sie nicht anrufen, um sie nicht in einem ungünstigen Moment zu erwischen. Als ich nach Hause kam, fiel mir ein, dass Dad vielleicht etwas gehört haben könnte. Er arbeitet zwar jetzt in dem neuen Meeresforschungszentrum, trifft sich aber noch gelegentlich mit ein paar von den Leuten, mit denen er früher im Krankenhaus zusammengearbeitet hat.
    Nach dem Abendessen saß er mit einem seiner Sudoku-Bücher im Wohnzimmer. Als ich zu ihm kam, blickte er auf und sagte: »Kae. Wie fühlst du dich?«
    Das fragt er immer statt »Wie geht’s dir?«, seit wir letztes Jahr im Sommer hier zu Besuch waren und ich so schlimmes Fieber bekam, dass ich zwei Tage im Krankenhaus verbringen musste. In der ersten Woche konnte ich das ja noch verstehen, doch mittlerweile nervt es irgendwie. Als glaubte er, ich wäre noch immer nicht über so eine kleine Lebensmittelvergiftung hinweg.
    »Alles in Ordnung«, antwortete ich. »Ich wollte dich was fragen.«
    »Natürlich.«
    Doch bevor ich weiterreden konnte, kam Drew hereingestürmt und schnappte sich die Fernbedienung. Er hatte diesen entschlossenen Gesichtsausdruck drauf, den er immer kriegt, wenn er etwas unbedingt will. Dad bemerkte es offenbar auch, denn seine Schultern versteiften sich plötzlich.
    »Heut Abend wird ’ne super Folge von Queer as Folk wiederholt«, sagte Drew und schaltete den Fernseher an. »Bin schon total gespannt!«
    Dad starrte wütend auf sein Buch. »Vielleicht würde deine Schwester gerne etwas anders anschauen«, sagte er, als ob ich Lust darauf gehabt hätte, in ihre alberne Streiterei reingezogen zu werden.
    »Dann hätte sie die Kiste reservieren sollen«, erwiderte Drew. »Hey, du weißt genau, dass ich dabei mitgemacht habe, die Petitions-Website für das Recht auf die gleichgeschlechtliche Ehe in Nordamerika aufzubauen. Wir haben schon mehr als tausend Unterschriften zusammen. Ziemlich geil, was?«
    »Ah«, sagte Dad, veränderte die Position seines Sudoku-Buches und hob den Stift in die Höhe, »hier kommt die Sieben hin.«
    Die Sendung fing an, und Drew lümmelte sich auf das Sofa. »Wahnsinn, wie sie es geschafft haben, so viele scharfe Typen in einen Film einzubauen«, sagte er und drehte die Lautstärke höher.
    Dad gab sich schneller geschlagen als sonst. Er erhob sich und stolzierte aus dem Zimmer. Drew verdrehte die Augen.
    So gebildet wie Dad in Bezug auf Wissenschaft und Medizin ist, sollte man meinen, er würde sich nicht so dämlich anstellen, wenn es darum geht, dass Drew schwul ist. Aber er benimmt sich, als wäre die Vorstellung, einen Sohn zu haben, der sich von Jungs angezogen fühlt, dermaßen abwegig, dass er sie gar nicht erst zulassen kann. Ich bezweifle, dass er so schnell damit einverstanden gewesen wäre, sich eine Stelle auf der Insel zu suchen, als Mom ihm vorschlug, wieder zurückzuziehen, wenn er Drew nicht ein paar Monate vorher aus Versehen dabei erwischt hätte, wie er mit seinem besten schwulen »Bekannten« rumknutschte. Und Drew ist natürlich wild entschlossen, es ihm so lange unter die Nase zu reiben, bis … bis Dad einen totalen Nervenzusammenbruch kriegt? Keine Ahnung, was er erwartet.
    Ich weiß ja, dass Drew voll
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