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Wir sind verbannt (German Edition)

Wir sind verbannt (German Edition)

Titel: Wir sind verbannt (German Edition)
Autoren: Megan Crewe
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ebenso leicht zu verstehen wie Tiere. Hunden gibt man ein Leckerli, und sie sind happy. Zieht man sie am Schwanz, werden sie böse. Klare Ursache und Wirkung.
    Vielleicht bin ich ja die Einzige, die ein Problem damit hat. Du hättest vielleicht gleich erkannt, was ich falsch gemacht habe, Leo. Mir wird immer noch ganz anders, wenn ich an unseren riesigen Streit denke, als ich behauptet habe, du hättest ja keine Ahnung, wie es ist, ein Außenseiter zu sein. Ich meine, immerhin bist du adoptiert worden und der einzige asiatische Junge auf der Insel, und die ganzen Blicke und dummen Sprüche müssen dich verletzt haben, auch wenn du es dir nicht hast anmerken lassen. Aber du musst zugeben, dass du gut mit Menschen umgehen kannst, so wie ich mit Tieren. Ich bezweifle, dass du jemals nicht rausgefunden hast, warum jemand etwas Bestimmtes getan hat.
    Aber du warst nicht hier, und ich schon, also sagte ich bloß: »Einverstanden, wenn du unbedingt willst, nehmen wir die Akadier.« Den restlichen Weg bis zu Rachel verbrachte ich damit, darüber nachzudenken, was ich als Nächstes noch sagen könnte.
    Als wir dann später in ihrem Zimmer waren und schon über eine halbe Stunde die Geschichts-Webseiten durchforstet hatten, kam ihr Dad auf seinen Krücken angehumpelt. Er hustete auch und nieste ein paarmal, als er an die Tür kam. Anscheinend hatte er sich nach seinem Unfall erkältet.
    Er stand im Türrahmen, lächelte bloß und kratzte sich am Ellenbogen. Dann kam er herein und legte einen Arm um Rachel. »Mein kleines Mädchen«, sagte er, »ich hab dich vermisst. Und eine Freundin hast du auch noch mitgebracht!«
    Rachels Wangen verfärbten sich dunkelrosa. Sie schubste ihn weg. »Ja Dad, ich freu mich auch, dich zu sehen«, erwiderte sie.
    Er hustete noch einmal und wandte sich dann mit einem breiten Lächeln zu mir. »Kayla, nicht wahr?«, fragte er. »Die Tochter von Grace?«
    »Kaelyn«, antwortete ich.
    »Richtig«, sagte er und beugte sich näher zu mir. Sein Gesicht war ganz rot, und ich fragte mich automatisch, ob er wohl getrunken hatte. Aber er roch nicht nach Alkohol. »Ich war wirklich froh, als deine Familie wieder hierhergezogen ist«, fuhr er fort. »Euer Vater hätte die ganze Bande nie mit wegschleppen sollen. Aber was weiß der schon? Ist jedes Mal ’ne traurige Sache, mit anzusehen, wenn so einer vom Festland sich eine von uns schnappt, besonders wenn’s eine so hübsche Frau ist wie deine Mom. Weißt du, auch wenn sie ein Niggermädchen ist, ich hätte vielleicht ein Auge auf sie geworfen, wenn ich auch nur die kleinste Chance gehabt hätte. Wieso …«
    »Dad, bitte«, unterbrach Rachel ihn nervös. Ich saß da, mit offenem Mund, und hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Was war denn in ihn gefahren? Wusste er überhaupt, was er da sagte?
    Er kratzte sich im Nacken und tätschelte mir die Schulter. Ich zuckte zurück, doch das schien er genauso wenig zu registrieren wie Rachels Protest.
    »Hat ’ne Menge Gerede gegeben, was wohl in der großen Stadt passiert ist, dass ihr wieder zurückgekommen seid«, sagte er immer noch grinsend. »Dein Vater hat sich wohl ein bisschen rumgetrieben, was? Wäre typisch für einen vom Festland. Oder bist du vielleicht in Schwierigkeiten geraten?«
    »Meine Mom hat die Insel vermisst«, antwortete ich, was eine ziemlich vereinfachte Erklärung war, aber ich hatte in dem Moment keine Lust, ihm eine längere zu liefern. Dann stand ich auf und fügte hinzu: »Ich muss jetzt los. Wir machen morgen noch ein bisschen an dem Referat weiter, okay, Rachel?«
    Ihr Nicken wartete ich kaum noch ab. »Jetzt bleib doch mal stehen«, sagte ihr Vater und lief mir in den Flur hinterher. »Da muss doch mehr dahinterstecken! Diese ganzen Versuchungen in der Stadt – ich hoffe du und dein Bruder habt euch von den Drogen und den Banden ferngehalten … Warum lädst du sie nicht zum Abendessen ein, Rachel?«, rief er über die Schulter. »Deine Mutter ist ganz versessen darauf, Genaueres darüber zu hören!«
    »Hör auf, Dad!«, schimpfte Rachel. Sie schoss an ihm vorbei und holte mich unten an der Treppe ein. Ihr Dad fing wieder an zu husten, wahrscheinlich der einzige Grund dafür, dass er nicht weiterredete.
    »Er ist eben krank«, sagte sie und betrachtete ihre Hände. »Ich weiß auch nicht, wieso er so lästern musste.«
    »Ja«, erwiderte ich. »Ist nicht schlimm. Aber ich muss jetzt wirklich gehen.«
    Was er gesagt hatte, war natürlich schlimm. Ich bekam es
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