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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient
Autoren: Alena Schroeder
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schon mit der Muttermilch aufgesogen. Und andere, die lernen es nie. Das ist wie beim Autofahren auch: Es gibt gute und schlechte Autofahrer, und genauso gibt es gute und schlechte Piloten. Für Passagiere ist das nicht zu erkennen, viele glauben ja, eine besonders harte Landung sei keine gute Landung. Aber das ist Unsinn, im Gegenteil, bei bestimmten Wetterverhältnissen ist es sogar sicherer, hart aufzusetzen. Bei mir ist es einfach ein Bauchgefühl, das ich mit den Jahren bekommen habe. Und man hört natürlich auch die Geschichten über manche Kandidaten da vorn.
    Ich bin immer froh, wenn eine altersgemischte Crew an Bord ist, ich finde, das wirkt auch seriöser. Manchmal, wenn ich diese Kapitäne sehe, die so Mitte zwanzig sind, denke ich: Oh, Junge, hast du überhaupt schon den Führerschein? Na ja, die können in den neuen Maschinen sicherlich besser mit der ganzen Computertechnik umgehen als die älteren Piloten, aber ich fühle mich trotzdem
besser, wenn da auch jemand mit Erfahrung vorne sitzt. Und beim Kabinenpersonal ist es auch nicht anders.
    Es ärgert mich, dass die Airlines nur noch junge Mädchen suchen, denen sie dann Zweijahresverträge geben. Die fliegen alle so harte Touren, dass sie das ohnehin nur für eine Weile machen und dann wieder aussteigen und vielleicht studieren gehen. Die Airlines sparen sich so natürlich Übergangsversorgung und Schwangerschaften. Und die Mädchen haben alle Schiss, ihre befristeten Verträge nicht verlängert zu bekommen - also mucken sie nie auf. Das ist aber auch für die Sicherheit an Bord relevant. Manchen Passagieren muss man einfach ein bisschen was entgegensetzen, da darf man keinen Ärger scheuen.
    Heutzutage muss man sich ja bei seinem Arbeitgeber für alles rechtfertigen, und ich kann mir vorstellen, dass viele da lieber mal ein Auge zudrücken und keinen Streit suchen, als sich hinterher erklären zu müssen. Ich war zum Beispiel immer froh, wenn Kapitäne genügend Rückgrat hatten, stark alkoholisierte Passagiere wieder auszuladen, wenn die die Nacht vor dem Flug noch am Ballermann feiern waren und von ihren Kumpels schon zum Flughafen getragen werden mussten. Wenn man Pech hat, verpasst man bei so einer Aktion seinen Slot, und da denkt sich sicher mancher: Ach, was soll’s, nehmen wir die Schnapsleiche eben mit.
    Alkohol an Bord ist ohnehin fatal, weil der Organismus in dieser Druckkabine ganz anders reagiert. Das Gleiche gilt für Leute, die im Urlaub krank werden. Ich kann natürlich verstehen, dass man dann schnell nach Hause
will, aber man sollte die körperliche Belastung nicht unterschätzen.
    Notfälle an Bord gibt es natürlich immer mal wieder, und ich bin immer froh, wenn zufällig ein Arzt mitfliegt. Aber auch der kann manchmal nichts tun, und es dauert nun mal etwa zwanzig Minuten, bis so ein Flieger von seiner Reiseflughöhe runter zum nächsten Flughafen fliegen kann. Eine Kollegin hatte mal ein kleines Kind an Bord, das an einer Erdnuss erstickt ist. Das will man sich gar nicht ausmalen, was da los war. Die Eltern waren natürlich völlig außer sich, und man konnte in der Luft nichts weiter tun. Bis die Maschine unten war, war das Kind tot.
    Es kommt immer mal wieder vor, dass ein Passagier an Bord stirbt. Wenn es möglich ist, legt man ihn hinten in eine der letzten Reihen und deckt ihn zu. Wir haben zwar auch Leichensäcke an Bord, aber ich denke, vor den Augen der anderen Passagiere würde man niemanden in so einen Leichensack stecken.
    Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Passagiere auf solche Notfälle reagieren. Einmal war ein Kollege in der Küche damit beschäftigt, einen kollabierten Passagier wiederzubeleben, da kommt ein anderer rein und fragt, ob er noch eine Cola haben kann.
    Ein andermal ist ein älterer Herr gestorben, und der Passagier in der Reihe hinter ihm hat dann beim Frühstück gefragt, ob er dessen Portion auch noch bekommen könnte, die wäre ja jetzt übrig. Und ich habe mal einen Typen gebeten, sich woanders hinzusetzen, weil ein kranker Passagier dringend eine ganze Reihe brauchte, um
sich hinzulegen. Ich hatte den armen Kerl schon untergehakt, der war richtig schwer und stand kurz vorm Kollaps. Und da fängt dieser andere Typ an, mit mir zu diskutieren, er wolle seinen Platz aber gleich wieder zurückhaben. Da fällt einem nicht mehr viel ein.
    Als Passagier hat man ja in der Regel
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