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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient
Autoren: Alena Schroeder
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nur die Reihen vor, neben und hinter sich im Blick. Als Flugbegleiter verschiebt sich die Perspektive, ich sehe alles und werde von allen gesehen. Das ist wie auf einem Catwalk, man ist immer präsent. Und ich kann ganz genau dieses Revierverhalten studieren, wie die Leute ihr kleines bisschen Beinfreiheit oder ihre Armlehne gegen den Nachbarn verteidigen. Immer in der Sorge, sie würden benachteiligt. Am Anfang dachte ich manchmal noch: Das ist doch ein Loriot-Sketch hier, die tun doch alle nur so. Aber die Menschen sind so, auf so engem Raum zeigt manch einer sein wahres Gesicht.
    Ich glaube, wenn man keinen Spaß am Umgang mit Menschen und vor allem an diesem unsteten Leben hat, dann kann man diesen Job nicht sehr lange machen. Ich bin nie zu Hause, bin manchmal zehn Tage am Stück weg. Und wenn ich in meiner Wohnung ankomme, dann liegt da ein großer Stapel ungelesener Zeitungen und ungeöffneter Post.
    Man muss auch einen Partner haben, der das gut aushalten kann. Während der Arbeit bin ich ja auch nicht zu erreichen, man kann mich eben nicht mal schnell auf dem Handy anrufen, wenn etwas ist. Und meinem Freund fällt es manchmal schwer, das zu ertragen, auch weil er kein Fan von E-Mails und SMS ist.

    Das Privatleben leidet natürlich unter der Fliegerei. Und es ist ein einsamer Job, weil man selten mit den gleichen Leuten zusammen fliegt. Die Beziehungen zu den anderen Crewmitgliedern sind eher oberflächlich, und irgendwann kennt man eben auch schon alle Geschichten, das wiederholt sich ja auch ständig, was man im Job so erlebt.
    Natürlich leidet auch die Gesundheit. Man ist einer großen Strahlenbelastung ausgesetzt, durch die unterschiedlichen Druckverhältnisse werden bei jeder Landung und bei jedem Start die Gedärme ordentlich gequetscht. Und ich arbeite den ganzen Tag in schlechter Klimaanlagenluft, das macht auf Dauer wirklich müde. Dadurch, dass die Maschinen heute viel schneller gedreht werden, sprich nach der Landung wieder startklar gemacht werden, habe ich auch kaum noch richtige Pausen. Oft schiebe ich mir schnell was zu essen rein, während die Reinigungsleute mit Müllsäcken und Staubsaugern durch den Flieger düsen.
    Wenn ich häufiger im Monat lange Überseestrecken fliege, nach San Francisco zum Beispiel, dann fühle ich mich richtig durch die Zeit geschossen. Neun Stunden Zeitverschiebung, und das mehrmals im Monat, steckt man nicht einfach so weg, da fehlen mir ein paar Nächte Schlaf. Und manchmal komme ich dann in so einen Zustand, dass ich gar nicht mehr so richtig weiß, ob ich jetzt träume, dass ich da bin, oder nicht. Weil ich morgens noch am Pazifik gefrühstückt habe und ein paar Stunden später bei minus fünf Grad in grauem Wetter aussteige.

    Jahreszeiten spielen für mich überhaupt keine Rolle, sie strukturieren meine Zeit nicht, so wie sie das vielleicht für andere Leute tun. Und das ist natürlich auch großartig, denn ich sehe jeden Tag die Sonne. Man darf in diesem Beruf nicht aufhören, zu staunen und sich privilegiert zu fühlen, dass man so viele schöne Flecken der Welt zu sehen bekommt. Wenn es mir gut geht und ich wache an einem Morgen in Kenia auf, wo auf dem Balkon vor meinem Fenster die Affen turnen, und am nächsten Tag sitze ich auf den Malediven an einem paradiesischen Strand, dann denke ich: Ich habe den besten Beruf der Welt. Und noch ein paar Tage später spaziere ich auf der Chinesischen Mauer oder laufe über einen Einheimischenmarkt, auf dem es die unglaublichsten Dinge zu kaufen gibt. Das ist toll, und ich bin dankbar dafür.
    Manchmal wünschte ich mir nur, man könnte diese Erlebnisse mit jemandem teilen, Kollegen, die auf derselben Wellenlänge sind und Lust haben, nach einem langen Flug noch in einer fremden Stadt herumzukurven.
    Ich will mich wirklich nicht beschweren, und ich möchte auch nicht mit meinen Freunden tauschen, die montags bis freitags immer im selben Büro sitzen. Aber manchmal träume ich tatsächlich von einem richtigen Heim. Einem Zuhause, wo ich nicht nur zwischendurch mal für ein paar Tage zum Schlafen und Wäschewaschen vorbeischaue. Ich träume von einer langen, langsamen Schiffsreise. Fliegen macht die Welt so klein und hektisch. Vielleicht wäre das mal wieder ganz schön, nicht mit achthundert Stundenkilometern unterwegs zu sein.

    Â 
    Flugbegleiter müssen meist eine Mindestgröße von 1, 60 m und eine
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