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Wir sind bedient

Titel: Wir sind bedient
Autoren: Alena Schroeder
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Und fangen dann an zu diskutieren, wenn man sie bittet, den Koffer nicht oben in die Gepäckfächer zu tun: »Wieso? Den packe ich immer da rein, das ist mir ja noch nie passiert, dass das nicht möglich ist …« Blablabla.
    Man muss sich immer auseinandersetzen, die haben überhaupt keinen Respekt mehr. Aber wer mal erlebt hat, wie so ein Koffer mitten im Flug von oben runtersaust und einer Passagierin ein Loch in den Kopf haut und der
Flieger dann irgendwo über Grönland runtermuss, damit die Frau ärztlich versorgt werden kann, der lässt sich da auf keine Diskussionen ein.
    Ich bin keine Saftschubse, wie es immer so schön heißt, ich bin für die Sicherheit an Bord zuständig. Darauf bin ich trainiert: mehrere Hundert Passagiere in neunzig Sekunden aus einem Flugzeug zu evakuieren, wenn es darauf ankommt. Früher musste man nicht so viel diskutieren, da hatten die Passagiere Flugbegleitern gegenüber noch mehr Respekt.
    Auch die Sache mit den Handys ist schwierig: Das kann doch nicht zu viel verlangt sein, die einfach während des Fluges auszulassen. Aber letztlich kann ich ja auch nicht jeden ständig kontrollieren. Wenn Passagiere an ihren Handys rumspielen und man sie dann fragt: »Entschuldigung, was machen Sie da?« - »Ja, ich wollte nur mal gucken, ob ich hier oben Empfang hätte.« Ich meine, da sitzen zweihundert Leute mit an Bord. Die gehen alle mit drauf, wenn die Bordelektronik anfängt zu spinnen, weil da einer mal kurz eine SMS schreiben will.
    Wenn die Blauhemden es nicht darauf anlegen, verstecken sie sich meistens hinter einer Zeitung und halten nur wortlos den Kaffeebecher hin zum Nachschenken - und das ist auch nicht so schön. Keine Kommunikation, nichts. Man wird nicht einmal angeguckt, geschweige denn, dass einer mal »Bitte« oder »Danke« sagt.
    Die zweite Sorte Passagiere, die ich nicht besonders mag, sind die Ferienhausbesitzer. Flugziel Malaga oder Faro. Die lassen gern durchblicken, dass sie viel Zeit zum
Golfen haben, mehrmals im Jahr in den Süden fliegen und jetzt hier an Bord erst mal einen tipptopp Service erwarten. Denen ist nichts gut genug. Und meistens sind sie genauso dreist wie die Blauhemden: Bringen garantiert ihren Koffer mit ans Gate und trödeln dann beim Einsteigen.
    Ich glaube, viele wissen gar nicht, wie ärgerlich das ist, wenn der Flieger seinen Slot verpasst. Das ist die uns zugewiesene Zeitspanne von vielleicht fünf Minuten, in der die Maschine auf der Startbahn stehen muss. Man braucht ja für den gesamten Flug sozusagen eine grüne Welle. Und wenn man diesen Korridor verpasst, muss erst wieder ein neuer Slot in Brüssel beantragt werden. Das kann aber auch mal zwei Stunden dauern, es bringt den ganzen Flugplan durcheinander, und die Passagiere regen sich auf.
    Dann gibt es noch die Proleten, die sich heimlich ihre Wodkaflasche mit an Bord nehmen und dann die ganze Reihe vollkotzen. Oder keine Ruhe geben, heimlich auf der Toilette rauchen und rumpöbeln. Frauenkegelclubs sind da besonders anstrengend, mit denen ist nicht zu reden. Bei Männerrunden kann ich mir immer noch einen greifen und ihm sagen: »Du, pass mal hier ein bisschen auf deine Kumpels auf, sonst lassen wir euch nach der Landung allesamt von der Polizei abholen.« Und meistens wirkt das auch.
    Zur Not haben wir auch Handschellen an Bord, und ich habe auch mal gelernt, wie man sie benutzt. Ob das dann im Ernstfall auch funktionieren würde, ist eine andere Frage. Es gab mal einen Flug, da hat sich ein Passagier
derart danebenbenommen, dass er schließlich von den anderen Passagieren ruhiggestellt wurde. Und zwar auf so heftige Weise, dass wir zwischenlanden mussten, um den auszuladen, weil wir Angst hatten, der überlebt das nicht bis zum Zielflughafen.
    Ich bin seit zwanzig Jahren Flugbegleiterin, ich habe bei verschiedenen Airlines gearbeitet und habe wirklich schon viel gesehen. Und ich muss sagen: Am liebsten sind mir immer noch die Charter-Maschinen in ein Urlaubsland. Nicht mit Ferienhausbesitzern, sondern mit ganz normalen Leuten an Bord. Die sind aufgeregt und aufgekratzt. Natürlich ist es auch mal stressig, aber das ist mir immer noch lieber als diese abgeklärten Vielflieger, für die das Fliegen genau dasselbe ist wie Busfahren.
    Ich freue mich immer, wenn ich mal jemanden an Bord habe, der zum allerersten Mal fliegt. Für den das noch etwas wirklich Besonderes ist, ein Abenteuer. Das
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