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Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
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„Fliegst du?“
    „Nein, das wird zu teuer. Ich fahre mit dem Schiff nach Rotterdam, und weiter mit der Bahn.“
    Aus irgendeinem Anlaß wanderten meine Gedanken ins Nachbarhaus hinüber. Gleichsam als Verbindung zu dem Alleinsein. Sie verweilten mit Glück und Behagen in einem reizenden kleinen Wohnzimmer mit Kamin und Fernseher. Dann wanderten sie weiter – machten vor einem Bild auf dem Nachttisch halt und kehrten darauf jäh wieder ins Atelier zurück.
    Dort wurde ich durch einen Aufschrei Yvonnes aus meinen Gedanken gerissen. „Wipps! Ich bin ja ein Schafskopf. Liebe, Gute, Süße… komm mit nach Paris! Nur für einen Monat! Wir warten nicht bis zum neuen Jahr, wir fahren schon vor Weihnachten! Ich kann es mir leisten, dich einzuladen… ach, du ahnst gar nicht, wie herrlich das für uns werden wird. Wir feiern französische Weihnachten, und dann kannst du im Januar allein zurückfahren! Willst du nicht, Wipps?“
    Ich hatte eine brennende Lust, „ja“ zu sagen. Aber ich konnte es nicht annehmen. Ich konnte nicht verantworten, daß Yvonne ihr Studiengeld für mich verbrauchte.
    Das sagte ich ihr auch. „Hör mal zu!“ Yvonnes Stimme klang energisch. „Du hast einen großen Anteil an meinem Erfolg. Hätte ich dich nicht gehabt, dann hätte ich nie die ,Blasse Lenzsonne’ malen können. Es ist nicht mehr als recht und billig, daß du die Hälfte der Einnahme bekommst. Wenn du dann ein paar hundert Kronen von der Bank abhebst, schaffen wir es. Dann können wir die Fahrt und einen Monat Aufenthalt ä la boheme bezahlen. Hast du nicht Lust, du Esel?“
    Ich wußte es nicht, konnte keine Antwort geben. Das Angebot hätte ich wohl annehmen können. Aber von meinen Kindern wegreisen – es war nicht sicher, ob sie nach Weihnachten so bereitwillig wiederkamen. Schade war es, von einer Arbeit wegzufahren, die sich so gut eingelaufen hatte wie dieser Kinderparkplatz.
    Die Sache wurde indessen durch den Umstand entschieden, daß eine Masernepidemie ausbrach und meine Kinder wie durch einen Zauberschlag ausblieben.
    Ich sprach mit den Müttern, die meinten, es sei vielleicht das beste, die Kinder eine Weile zu Hause zu behalten. Als ich ihnen den Vorschlag machte, den „Parkplatz“ über Weihnachten zu schließen, waren sie sehr einverstanden.
    So kam es denn, daß ich „ja“ sagte. Ich sollte Paris kennenlernen!
    Ich stopfte, daß es mir vor den Augen flimmerte. Ich hatte einen Haufen Männersocken, die fertiggemacht werden mußten, bevor ich reiste.
    Ich nahm mein Mofa in Gnaden wieder auf und töffte herum und lieferte Strumpfpakete ab. Als ich an der letzten Stelle angekommen war und acht Kronen neunzig einkassiert hatte, schoß es mir durch den Kopf: Was in aller Welt sollte ich eigentlich noch mit dem Rad? Ich würde im nächsten Jahr wohl kaum mehr Blumendoktor sein wollen. Jetzt wollte ich den Kinderparkplatz weitermachen. Spornstreichs zog ich zum Händler.
    Ich bekam sechshundertfünfzig bar auf die Hand gezählt.
    Am nächsten Tag verkaufte ich, was ich eigentlich erst kurz vor Weihnachten hatte tun wollen, was aber wegen der Reise jetzt schon erledigt werden mußte; alle meine kleinen Kaktusstecklinge an meinen Freund, den Gärtner. Es waren viel verschiedene und teilweise ziemlich seltene Arten. Sie brachten mir über 100 Kronen ein.
    Siehe da! Jetzt brauchte ich Yvonnes Geld am Ende nicht anzunehmen. Oder jedenfalls nur etwas davon.
    Als ich klein war, hatte ich eine ausgesprochene Schwäche dafür, das Beste bis zuletzt aufzuheben. Wenn ich Dickmilch aß, dann hatte ich eine ganz besondere Fertigkeit darin, die Milch wegzulöffeln, ohne daß die Sahne mitkam. Und zuletzt, wenn die anderen mit ein paar kümmerlichen blauweißen Milchresten dasaßen, konnte ich mit einer gewissen stillen Freude die ganze Sahneschicht hinunterschlürfen.
    Das fiel mir wieder ein, als ich nur noch ein einziges Strumpfpaket abzuliefern hatte. Es gehörte Steneng. Das hatte ich mir bis zuletzt aufgehoben.
    Als ich die Treppe hinaufstieg und vor der Tür mit der Aufschrift „Dr. med. Ivar Steneng“, stand, bekam ich fast einen Lachkrampf, als ich daran dachte, was er wohl dazu meinen würde, daß ich ihn die Sahne auf der Setzmilch meines Lebens nannte.
    „Nein, sind Sie es, Wibke? Das ist aber nett!“ Die Stimme klang ehrlich erfreut, daran war kein Zweifel. Und ich fand es schon längst nicht mehr sonderbar, daß er dazu übergegangen war, mich schlicht und einfach Wibke zu nennen.
    „Ich bringe die
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