Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir schaffen es gemeinsam

Wir schaffen es gemeinsam

Titel: Wir schaffen es gemeinsam
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
aus.
    „Hör mal. Du mußt so was doch schon manchmal durchgemacht haben. Was hast du dann gemacht?“
    „Hab meine Halskette ins Leihhaus gebracht.“
    „Dann mußt du es jetzt eben auch wieder tun.“
    „Die ist schon da.“ Ich ging an meine Kommode und kramte mit der heilen Hand in der obersten Schublade.
    „Schau her. Du mußt den Weg dann eben noch einmal machen.“
    Ich reichte ihr die antike Brosche meiner Mutter. Yvonne nahm sie an sich und ging, ohne ein Wort zu sprechen. So gab es auch an diesem Tag ein warmes Essen.
    Der Arzt besah sich meine Hand und ordnete an, daß ich sie noch eine Weile im Verband tragen müsse.
    Aber bald konnte ich nicht mehr. Ich wurde ganz krank davon, daß ich nichts tun durfte. Also pilgerte ich einfach in die Stadt, hob zwanzig Kronen in der Bank ab und kaufte mir ein Paar Gummihandschuhe. Und am nächsten Morgen machte ich mich mit dem Moped auf den Weg.
    Der Tag brachte nur mäßigen Erfolg. Zweiunddreißig Kronen – brutto.
    Am nächsten Morgen ging ich wieder auf Arbeitssuche. Aber es war verflixt unbequem, mit Gummihandschuhen zu arbeiten.
    Und da platzte der rechte, als ich gerade dabei war, Ableger von einem alten Großmutterkaktus abzuknipsen.
    Rückfall. Der Arzt war wütend.
    Diesmal mußte ich ins Krankenhaus, ob ich wollte oder nicht. Die ganze Geschichte mußte noch einmal geschnitten werden. Obendrein noch ein ganzes Ende am Arm hinauf. Als ich aus der Narkose erwachte und auf den dicken Verband sah, wurde mir klar, daß ich wirklich eine ausgewachsene Blutvergiftung gehabt hatte – mit allem Drum und Dran.
    Ich mußte zwei Tage dortbleiben, dann durfte ich wieder heimwärts ziehen.
    Als ich ins Krankenhaus ging, hatte ich noch etwas Geld auf der Bank. Drei Tage später war es verbraucht.
    Yvonne zeichnete und zeichnete. Ich holte ein und machte mich mit der heilen Hand so nützlich, wie ich irgend konnte. Viel war es nicht.
    Ich mußte Milch holen. Ich getraute mich nicht, in „unseren“ Milchladen zu gehen, dort hatten wir zuviel anschreiben lassen. Man hatte uns schon mehrmals eine Rechnung geschickt, und es war fast unmöglich, weitere Ausreden zu finden.
    In dem anderen Milchgeschäft an der Ecke hatte ich bis jetzt nur ein paarmal gekauft und dann immer bar bezahlt. Ich wollte jetzt mal sehen, ob ich es wagen durfte…
    Ich bekam die Milchpackung und steckte die Hand in die Manteltasche, um das Portemonnaie herauszuholen. Es war darin, ich hatte es in den Fingern. Da versuchte ich, ein verlegenes Lachen anzustimmen und sagte: „Ach, jetzt habe ich mein Geld zu Hause liegenlassen. Ich bin aber auch zu schusselig. Darf ich später vorbeikommen und bezahlen?“
    Ja, gewiß. Das ließe sich schon machen. Für Fräulein Grundt, nicht wahr? Ja, gewiß. Für Fräulein Grundt.
    So etwas wie ein Siegesgefühl beherrschte mich, als ich aus dem Milchladen trat. Jetzt hatte ich das Geld für morgen noch in der Tasche. Mal sehen, ob ich es beim Bäcker ebenso machen konnte?
    Tatsächlich, es klappte auch da, aber nicht ganz so glatt. Die Verkäuferin sagte „einen Augenblick“ und verschwand ins Hinterzimmer, zum Bäckermeister. Doch sie kam zurück und sagte, ja, es sei in Ordnung.
    Wenn ich heute daran zurückdenke, werde ich rot bis in die Zehen hinunter.
    Kleine Schwindeleien, halber Diebstahl, kleine Betrügereien, ein bißchen Komödie spielen – alles keine große Sache, aber verzweifelte Waffen in dem grauen, hilflosen, quälenden Kampf um das Dasein.

Die wahnsinnig ulkige Künstleratmosphäre
     
     
    Wir hörten Schritte auf der Treppe. „Pscht!“ machte Yvonne.
    Es klopfte. Wir saßen mucksmäuschenstill mit angehaltenem Atem. Es klopfte noch einmal.
    „Die Bäckerrechnung“, flüsterte Yvonne wieder. Ich nickte. Der Junge vom Milchladen klopfte ganz anders.
    Die Schritte verhallten unten auf der Treppe. Wir atmeten auf. Jetzt waren sie beide dagewesen, so daß wir für eine Weile Ruhe hatten. Wenn nun bloß nicht noch der Laufjunge vom Schuhmacher kam. Oder die Stromrechnung. Dann durften wir einfach nicht aufmachen. Wenn wir den Mann einließen und an den Zähler heran, dann würde er uns den Strom sperren.
    Yvonne ging fort. Ich wischte Staub und goß die Blumen und dachte über die Unterhaltung nach, die wir heute nacht geführt hatten.
    Ich hatte überlegt und überlegt, bis mein Gehirn ganz dumpf war. Alle Möglichkeiten zu prüfen versucht. Ausweg überlegt, die Gedanken gedreht und gewendet, so lange, bis das Unmögliche möglich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher