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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Autoren: Lara Wegner
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as Abendrot verwandelte Aymar de Saint-Germain in einen roséfarbenen Marzipan-Engel. Mit Fingern und Händen dirigierte er einen Redefluss, dessen Geschwindigkeit seine Zuhörer atemlos zurück ließ. Zusätzlich sorgte das Flattern seiner Spitzenmanschetten für Konfusion. Madame Chrysanthemes Stirn schlug ungleichmäßige Wellen, während sie dem Comte zu folgen suchte.
    »Das Ereignis erfordert Fingerspitzengefühl und einen Sinn für Perfektion. Die Kosten sind unerheblich. Morgen Abend, Madame Chrysantheme, werdet Ihr Gäste von größtem Anspruch in diesem Haus empfangen dürfen. Der Anlass muss unbedingt entsprechend gewürdigt werden. Über der ewigen Jugend liegt ein Schleier, den ich für meine handverlesene Gesellschaft zu lüften gedenke. Der kleinste Fehler wäre daher unverzeihlich!«
    Die Verve seiner Worte drückte Saint-Germain tief in die Polster des niedrigen Fauteuils. An den Sessellehnen zog er sich zurück in eine aufrechte Haltung. Nachdem Madame Chrysantheme sich gesammelt und ihre Stirn sich nach Erwähnung der Kosten geglättet hatte, nickte sie.
    »Ja nun, selbstverständlich steht Euch mein Etablissement samt der Küche zur Verfügung, Monsieur Le Comte. Wir verstehen uns darauf, den höchsten Anspruch zufrieden zu stellen. Notiere, Florine: Ein Gedeck für sechs Personen im Salon du Sang. Silber und Porzellan sowie das Kristall mit dem Goldrand.«
    Florine tauchte den Federkiel in ein Tintenfässchen und notierte die Anweisung in die Kladde auf ihren Knien.
    »Salon du Sang! Was für ein treffliches Motto. Es gibt nichts, was das Leben stärker beeinflussen könnte als Blut. Die Macht dieses ganz besonderen Saftes wird viel zu oft unterschätzt«, gab Saint-Germain eine der Weisheiten zum Besten, mit denen er zu einiger Berühmtheit gelangt war.
    »Die Farbe des Salons ist eher von einem blassen Rot«, klärte Florine ihn auf.
    »Ausgezeichnet!«, ging Saint-Germain über den Einwurf hinweg. »Gleichwohl stelle ich mir ein anderes Ambiente vor. Eine Szenerie, die auf den ersten Blick beeindruckt. Ein wenig dunkel, ohne düster zu sein. Gedämpft und leicht melancholisch, ein Mahnmal der Vergänglichkeit. Atmosphäre, versteht Ihr? Ich brauche Atmosphäre!«
    Um diese Atmosphäre darzustellen, fuchtelte er vor seinem Gesicht herum und warf in Florine erste Fragen nach seinem Geisteszustand auf. Das affektierte Gebaren des Comte wurde von seinen weich gezeichneten Zügen verstärkt. Er hatte etwas von einem Mädchen, das sich in die Hülle eines Höflings kleidete. Das und seine gestelzten Worte machten ihn suspekt. Zwischen ihr und Madame Chrysantheme fand ein Blickwechsel statt. Diesen kurzfristigen und lukrativen Auftrag wollten sie sich keinesfalls entgehen lassen. Unmerklich wies Florine mit der Spitze des Federkiels zu Boden. Mehr an Verständigung brauchte es in ihrer langen Zusammenarbeit nicht. Der stumme Hinweis entlockte Madame Chrysantheme ein Strahlen.
    »Damit können wir Euch dienen, Monsieur Le Comte. Unter meinem Haus befindet sich ein altes Gewölbe. Es sollte alle Anforderungen an Atmosphäre erfüllen.«
    »Ein Gewölbe«, stieß Saint-Germain entzückt aus. »Verfügt es gar über einen Kerker?«
    »Florine wird Euch die Örtlichkeit zeigen.«
    Florine erhob sich, klemmte die Kladde unter ihren Arm und nahm eine Kerze auf. Sie führte Saint-Germain in den hinteren Teil des Hauses, das zu den exklusivsten von Versailles gehörte. Da er eine Duftfahne aus Hyazinthenparfum hinter sich her zog, war sie dankbar, ihm vorausgehen zu können. Vor den unbehauenen Steinstufen, die unter das Haus führten, erlitt der Comte einen weiteren Begeisterungsausbruch. Seine Stimme erzeugte einen von den Wänden zurückgeworfenen Hall. Der Auftrag war ihnen bereits so gut wie sicher.
    »Den Weg hinunter werden wir mit Fackeln ausleuchten.«
    »Nicht zu viele davon, kleine Mamsell. Gedämpftes Licht, mehr sollte es nicht sein.«
    Kleine Mamsell? Saint-Germain entging die Grimasse, die sie hinter seinem Rücken zog. So hatte sie noch keiner genannt. Der Beiname entsprach nicht im Mindesten der gewichtigen Rolle, die sie in diesem Etablissement einnahm.
    »Mein Name ist Florine, Monsieur Le Comte. Anstelle von Fackeln wären auch Öllämpchen geeignet. Sie spenden ausreichend Licht, um die Stufen zu beleuchten und lassen die Mauern im Dunkeln.«
    »Exzellent!«
    Je tiefer sie in das Gewölbe vordrangen, desto kühler wurde es. Die Kerzenflamme tanzte, als Florine eine Tür am Ende
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