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Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes

Titel: Söhne der Luna 1 - Im Bann des Wolfes
Autoren: Lara Wegner
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Barbarischem Schmuck gleich umschlangen sie seine Oberarme. Links und rechts waren größere Kettenglieder durch die Spiralringe gezogen worden und spreizten seine Arme. Seine Bewegungsfreiheit war gering, obgleich die Kettenenden bis zum Boden fielen.
    Nichts an ihm wies auf einen der üblichen Lustknaben hin, die sich gelegentlich bei Madame Chrysantheme einfanden. Er war kein zarter Junge, sondern ein Mann, und das nicht nur wegen des flaumigen Dreiecks auf seiner Brust. Sein Körperbau erinnerte sie an eine Zeichnung, die einer der Gäste in trunkener Leutseligkeit angefertigt hatte. Ein beachtlicher Zeichner war jener Freier gewesen, der in italienischem Akzent die Harmonie der perfekten Proportion erläutert hatte. Die Zeichnung besaß sogar einen Namen. Der viti… virul… – auf jeden Fall kam der Angekettete der von da Vinci vorgegebenen Proportion sehr nahe. Was sein Gesicht anging konnte sie kein Urteil fällen, da er den Kopf gesenkt hielt. Ein Vorhang dunkler, verknoteter Haare verbot nähere Studien.
    Ein Mann in Ketten konnte ein verteufelt unangenehmes Problem werden. Wunden wies er keine auf, und doch blieb die Frage, ob er aus freiem Willen in Ketten hing, anstatt das über ihm stattfindende Menü aus sieben Gängen zu genießen. Zudem hatte Olymp ihn brüllen hören. Eine andere Gegenwehr blieb ihm auch nicht übrig. Florine räusperte sich und trat einen Schritt vor.
    »Monsieur?«
    Mit dem leichten Heben seines Kopfes drückte er die Knie durch. Wenigstens war er bei Besinnung. So schlaff wie er in den Ketten gehangen hatte, sah sie das nicht als selbstverständlich an. Durch das Dickicht seines Haars flammte ein Augenpaar auf. Instinktiv wich sie einen Schritt zurück.
    »Entschuldigt die Störung, doch ich muss mich vergewissern …«
    Sie wurde von einem Geräusch unterbrochen, von dem sie nicht wusste, was es war oder woher es kam. Ein dumpfes, unterirdisches Grollen, das auf sie zurollte und sie einen weiteren Schritt zurücktrieb. Kam es von dem Mann?
    »Habt Ihr Euch aus freiem Willen an die Wand ketten lassen? Sollte dem nämlich nicht so sein, müsste ich …«
    Sie stockte. Musste sie wirklich eingreifen und ihn befreien? Die Ketten ließen ihm genügend Spielraum. Er musste lediglich die Handgelenke dicht an die Eisenringe führen, und sie konnte die Glieder aus den Spiralen lösen. Der konstante Laut aus seiner Kehle gab ihr eine viel bessere Idee ein. Sie würde den Raum verlassen, die Tür abschließen und gehen. Hinauf in ihre Kammer, wo sie sich unter der Daunendecke ihres Bettes verkriechen konnte. Das war vernünftig.
    »Löse die Ketten«, knurrte er.
    »Ich gehe und hole Hilfe«, beschloss sie.
    Sollte Lucas zusehen, wie er damit fertig wurde. Dazu war er schließlich da. Um sich unangenehmer Zeitgenossen anzunehmen, die Unruhe stiften wollten. Hastig wirbelte sie herum und prallte gegen die schmächtige Gestalt des Comte de Saint-Germain. Lautlos war er aufgetaucht und versperrte ihr den Weg, ein spitzfindiges Lächeln hob seine schmalen Lippen.
    »Worüber haben wir am gestrigen Abend gesprochen, kleine Mamsell?«
    »Also …«
    »Niemand dringt in diesen Raum vor. Ist dir das entfallen?«
    »Selbstverständlich nicht. Ich wollte nur … Bei dieser Hitze könnte der Kaviar schlecht geworden sein. Die Folgen wären sehr unangenehm, nicht wahr? Aus diesem Grund musste ich …«
    All ihre Ausflüchte führten zu nichts. Schritt um Schritt drängte Saint-Germain sie weiter in den Raum hinein. Im Zurückweichen achtete sie darauf, dem Gefesselten nicht zu nahe zu kommen.
    »Du hast deine kleine, aufgestülpte Nase in Angelegenheiten gesteckt, die dich nichts angehen.«
    Unwillkürlich griff Florine an ihre Nase. Sie war nicht aufgestülpt! Überhaupt wollte sie sich keine weiteren Frechheiten gefallen lassen.
    »Jede Angelegenheit unter diesem Dach kann die meine genannt werden.«
    »Was wagst du dich?«
    »Immerhin bin ich …«
    »Saint-Germain! Wo steckt Ihr?«
    Die Gesellschaft näherte sich, angeregt plaudernd nach dem Genuss erlesener Delikatessen.
    »Diese Umgebung schlägt aufs Gemüt«, zwitscherte eine Jungmädchenstimme vergnügt. Das musste Morphise sein, die neuste und jüngste Eroberung des Königs.
    »Es fehlt an Licht, daran liegt es«, grummelte ein Herr.
    »Verhalte dich unauffällig, sonst setzt es was, kleine Mamsell.«
    Ein kräftiger Stoß traf Florine vor die Brust. Ihre Hüfte prallte gegen den Tisch mit den Erfrischungen. Auf der Suche nach Halt traf
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