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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Dean R. Koontz
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sein Leben stand auf dem Spiel. Es ging hier um wichtigere Menschen. Um seine Frau, in der sich seine Vergangenheit und Zukunft verkörperten, die Trägerin all seiner Hoffnungen. Um seinen Sohn, geboren aus seinem Herzen, den er mehr liebte als sich selbst, unermeßlich mehr. Zumindest von draußen hatte man den Eindruck, daß das Feuer sich auf das Obergeschoß beschränkte. Er betete, daß Heather und Toby nicht dort oben waren, sondern im Parterre oder ganz außerhalb des Hauses. Er sprang auf die Veranda und kämpfte sich durch den Schnee, den der Pflug an der Wand aufgehäuft hatte. Die Tür stand im Wind offen. Als er über die Schwelle trat, bemerkte er, daß sich zwischen den Töpfen und Pfannen und dem Geschirr, das im der Diele verstreut lag, winzige Schneeverwehungen gebildet hatten. Kein Gewehr. Er hatte kein Gewehr. Er hatte es in dem Schneeräumer zurückgelassen. Egal. Wenn Toby und Heather tot waren, war er auch tot. Das Feuer hüllte die Treppe von der ersten Brüstung aufwärts vollständig ein und breitete sich schnell von Sprosse zu Sprosse zur Diele aus, sickerte fast wie eine leuchtende Flüssigkeit hinab. Da Strömungen fast den gesamten Rauch nach oben und zum Dach hinauf zogen, konnte er gut sehen: keine Flammen im Arbeitszimmer, und auch keine hinter den Türbogen zum Wohn- und Eßzimmer.
    »Heather! Toby!«
    Keine Antwort.
    »Heather!« Er stieß die Tür zum Arbeitszimmer ganz auf und sah hinein, um sich zu vergewissern. »Heather!« Von der Türöffnung aus konnte er das gesamte Wohnzimmer sehen. Nichts. Der Türbogen zum Eßzimmer. »Heather!« Auch dort nicht. Er lief durch die Diele zurück in die Küche. Die Hintertür war geschlossen, aber sie mußte irgendwann geöffnet worden sein, denn der Geschirrturm war umgestürzt. »Heather!«
    »Jack!«
    Er wirbelte herum, als er ihre Stimme hörte, konnte aber nicht feststellen, woher sie gekommen war. »HEATHER!«
    »Hier unten wir brauchen Hilfe!«
    Die Kellertür stand halb offen. Er zog sie ganz auf und sah hinab. Heather stand auf der Brüstung, in jeder Hand einen Benzinkanister. »Wir brauchen noch mehr, Jack.«
    »Was macht ihr da? Das Haus steht in Flammen! Kommt aus dem Keller!«
    »Wir brauchen das Benzin, um ihn fertigzumachen.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Toby hat es.«
    »Hat was?« fragte er und ging die Stufen zu ihr hinab.
    »Den Geber. Er hat ihn. Unter sich«, sagte sie atemlos.
    »Unter sich?« fragte er und nahm ihr die Kanister aus den Händen.
    »Genau, wie Toby auf dem Friedhof unter dem Geber war.«
    Jack kam sich vor, als wäre er wieder angeschossen worden, nicht derselbe Schmerz, aber derselbe Stoß wie von einer Kugel in die Brust. »Er ist ein Junge, ein kleiner Junge, er ist nur ein kleiner junge, um Gottes willen!«
    »Er hat es gelähmt, das Ding selbst und all seine Surrogate. Du hättest es sehen müssen! Er sagte, daß nicht mehr viel Zeit bleibt. Das gottverdammte Ding ist stark, Jack, sehr mächtig. Toby kann es nicht mehr lange unter sich halten, und wenn es die Oberhand gewinnt, wird es ihn nie wieder loslassen. Es wird ihm weh tun, Jack. Es wird dafür bezahlen, Jack. Aber wir müssen es zuerst erwischen. Wir haben keine Zeit, um ihm Fragen zu stellen, alles mit ihm zu besprechen, wir müssen einfach tun, was er sagt.« Sie drehte sich von ihm um, lief den unteren Teil der Treppe hinab. »Ich hole die anderen Kanister!«
    »Das Haus steht in Flammen!« protestierte er.
    »Oben. Hier unten noch nicht.«
    Wahnsinn.
    »Wo ist Toby?« rief er, als sie außer Sicht verschwand.
    »Auf der hinteren Veranda!«
    »Beeil dich! Wir müssen schnell hier raus!« rief er, während er vierzig Liter Benzin die Kellertreppe eines brennenden Hauses hinaufschleppte, unfähig, die Erinnerungen an die brennenden Benzinbäche vor Arkadians Tankstelle zu unterdrücken. Er ging auf die Veranda. Hier brannte es noch nicht. Es waren auch noch keine Reflexionen des Feuers im Obergeschoß auf dem Schnee zu sehen. Der Brand war im Augenblick noch auf den vorderen Teil des Hauses beschränkt. Toby stand in seinem roten und schwarzen Skianzug auf der obersten Stufe der Verandatreppe und hatte der Tür den Rücken zugewandt. Schnee wirbelte um ihn. Die kleine Spitze der Kapuze ließ ihn wie einen Gartenzwerg aussehen. Der Hund war an Tobys Seite. Er drehte den struppigen Kopf zu Jack um und wedelte einmal mit dem Schwanz. Jack setzte die Benzinkanister ab und kauerte neben seinem Sohn nieder. Wenn sein Herz nicht zerriß, als er
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