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Wintermond

Wintermond

Titel: Wintermond
Autoren: Dean R. Koontz
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zurück und rollten sich zusammen, und es blieb still liegen wie ein großer Ball aus glänzenden Eingeweiden von nicht ganz anderthalb Metern Durchmesser. Das andere Ding verlor die Kontrolle über den brennenden Leichnam, mit dem es verbunden war. Parasit und toter Gastkörper brachen zusammen und blieben ebenfalls reglos liegen. Heather stand in verblüfftem Unglauben da, kapierte einfach nicht, was geschehen war. Rauch quoll in das Zimmer.
    Toby hatte den Riegel aufgeschoben und die Tür zur Hintertreppe geöffnet. Er zerrte an ihr. »Schnell, Mom«, sagte er. Völlig verwirrt folgte sie ihrem Sohn und dem Hund auf die dunkle Treppe und zog die Tür hinter sich zu, versperrte dem Rauch den Weg, bevor er sie erreichen konnte. Toby eilte die Wendeltreppe hinab, den Hund auf seinen Fersen, und Heather folgte ihm, während er die Treppe hinablief und außer Sicht verschwand.
    »Schatz, wartet«
    »Keine Zeit«, rief er zu ihr hoch.
    »Toby!«
    Sie hatte schreckliche Angst, die Treppe so schnell hinabzustürmen, weil sie nicht wußte, was sie vielleicht erwartete, einmal angenommen, noch eins dieser Dinger befand sich in der Nähe. Auf dem Friedhof waren drei Gräber entweiht worden. Im unteren Vorraum war die Tür zur hinteren Veranda noch immer zugenagelt. Die Tür zur Küche stand weit offen, und Toby wartete mit dem Hund auf sie. Sie hätte gedacht, ihr Herz hätte nicht schneller oder härter schlagen können als auf dem Weg diese Treppe hinab; doch als sie dann Tobys Gesicht sah, ging ihr Puls noch schneller, und jeder Herzschlag war so kräftig, daß er einen dumpfen, pochenden Schmerz durch ihre Brust schickte. War er gerade noch bleich vor Furcht gewesen, so war er nun geradezu leichenblaß, Sein Gesicht sah weniger wie das eines lebenden Jungen als wie eine Totenmaske aus, die das Antlitz in kaltem, hartem Gips festhielt, der so farblos wie zerriebener Kalk war. Das Weiße seiner Augen war grau, die eine Pupille war riesig, die andere nur stecknadelkopfgroß, und seine Lippen waren blau angelaufen. Das Entsetzen hatte ihn fest im Griff, aber nicht nur dieses Entsetzen trieb ihn an. Er kam ihr fremd vor, heimgesucht - und dann erkannte sie dieselbe übersinnliche Eigenschaft, die er an diesem Morgen gezeigt hatte, als er vor dem Computer saß - nicht im Griff des Gebers, aber auch nicht völlig frei. Dazwischen, hatte er es genannt.
    »Wir können es kriegen«, sagte er.
    Nun, da sie seinen Zustand erkannte, hörte sie denselben schalen Tonfall aus seiner Stimme heraus, den sie auch an diesem Morgen gehört hatte, als er im Bann des Farbensturms auf dem IBM-Monitor gewesen war.
    »Toby, was ist los?«
    »Ich habe es.«
    »Du hast was?«
    »Es.«
    »Wo hast du es?«
    »Unter.«
    Ihr Herz schien zu explodieren. »Unter?«
    »Unter mir.«
    Dann fiel es ihr wieder ein, und sie blinzelte erstaunt.
    »Es ist unter dir?«
    Er nickte. So bleich.
    »Du kontrollierst es?«
    »Im Augenblick.«
    »Wie ist das möglich?« fragte sie.
    »Keine Zeit. Es will sich befreien. Sehr stark. Drängt kräftig.« Schimmernder Schweiß perlte auf seiner Stirn. Er nagte an seiner
    sowieso schon blutigen Unterlippe. Heather hob eine Hand, um ihn zu berühren, aufzuhalten, und zögerte dann, weil sie nicht wußte, ob er nicht die Kontrolle verlieren würde, wenn sie ihn berührte.
    »Wir können es kriegen«, wiederholte er.
    Harlan fuhr den Schneepflug bis fast vor die Haustür, hielt ein paar Zentimeter vor dem Geländer an und warf dabei eine in sich zusammenbrechende Schneewelle auf die Veranda. Er beugte sich auf seinem Sitz vor, damit Jack sich auf die Ladefläche hinter ihm zwängen konnte. »Sie kümmern sich um ihre Familie, und ich rufe über Funk die Feuerwehr und sorge dafür, daß sie einen Wagen herschickt.«
    Als Jack durch die hohe Tür ausstieg und von dem Schneeräumer hinabkletterte, hörte er, daß Harlan Moffit ins Funkgerät sprach und bei seiner Einsatzzentrale Alarm schlug. Er hatte noch nie eine solche Furcht gekannt, nicht einmal, als Anson Oliver auf Arkadians Tankstelle das Feuer auf ihn eröffnet hatte, nicht einmal, als er am gestrigen Tag auf dem Friedhof begriffen hatte, daß etwas durch Toby sprach. Bei diesen Gelegenheiten war seine Angst höchstens halb so intensiv gewesen; nun zog sie seinen Magen so eng zusammen, daß es schmerzte, und drängte eine Woge bitterer Galle in seinen Mund hinauf. Auf der ganzen Welt gab es kein Geräusch mehr außer dem hämmernden Donnern seines Herzens. Denn nicht nur
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