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Winterland

Winterland

Titel: Winterland
Autoren: Åke Edwardson
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war, und ein paar Sekunden später hörte Winter auch kein Motorengeräusch mehr.
    Er ging durchs Esszimmer in Hirschmanns Arbeitszimmer. Hier hatte er gestanden, als Ringmar ihn wegen Dinters Auto angerufen hatte und er das Haus schnell wieder hatte verlassen müssen. Er hatte vor Hirschmanns Bücherregalen gestanden, die mit kulinarischer Literatur und kulinarischen Aufzeichnungen voll gestopft waren. Seltsamerweise hatte er da genau an das gedacht, was ihn nun so spät am Abend hatte zurückkehren lassen: Die kleinen Städte an der toskanischen Mittelmeerküste mit ihren aus Fisch und Schalentieren zubereiteten Gerichten waren einfach verwandt mit dieser Stadt hoch an der Nordsee. Hier hatte er am späten Nachmittag gestanden, vor den Bücherregalen. Woran hatte er gedacht? Er hatte gedacht, dass doch irgendwo die Flugtickets nach Italien liegen müssten, dass es einen Hotelgutschein oder eine Buchungsbestätigung geben müsse. Morgen würden sie wahrscheinlich bei irgendeiner der Fluglinien etwas über Hirschmanns geplante Reise erfahren, aber Winter war nicht sicher, dass ihnen das weiterhelfen würde.
    Er wusste, wohin Hirschmann fahren wollte.
    Viareggio.
    Irgendwo in diesen Regalen befand sich Viareggio.
    Vielleicht Fotos.
    Vielleicht eine Geschichte über Hirschmanns Zeit in diesem Kochinstitut oder was es auch immer war. Auch dazu würden sie Ermittlungen anstellen, aber Winter wollte es jetzt und hier wissen. Er wollte jetzt eine Antwort, als ob alles davon abhinge, was er hier erfuhr, an diesem Abend, der gerade zur Nacht geworden war. Er sah auf seine Armbanduhr, es war nach zwölf.
    Der Zeitpunkt, an dem Hirschmann tags zuvor sein Leben verloren hatte, rückte wieder heran. Ein Tag nur. Winter kam es bereits wie eine Woche, ein Monat, ein Jahr vor. Der Wein, den er zum Essen getrunken hatte, hatte ihn noch schläfriger, noch müder gemacht. Aber plötzlich war alle Müdigkeit wie weggeblasen. Mit einem Mal war er wieder Jäger.
    Er stand immer noch im Dunkeln, die Papiere und die Buchrücken leuchteten diskret im Silber der Beleuchtung von draußen. Winter sah sich um, ging zum Schreibtisch und schaltete die starke Lampe ein.
    Gerade als er das Licht auf die Bücherregale richten wollte, fiel ihm auf, dass das schon jemand getan hatte.
    Der breite Schirm war bereits in Richtung auf die Regale gedreht.
    Er sah sich nach weiteren Lichtquellen um, fand aber keine.
    War das Hirschmanns Methode gewesen, seine Bücher zu beleuchten? Das schien ihm unwahrscheinlich. Plötzlich erinnerte er sich, dass Hirschmann hinter dem linken Regal einen versteckten Schalter gehabt hatte, der eine elegante Regalbeleuchtung geregelt hatte. Der geheime Knopf, wie Hirschmann es genannt hatte. Geheimes Fach, geheimer Knopf.
    Winter ging zu den Regalen und schob die Hand hinter das linke und fand den Knopf ungefähr siebzig Zentimeter weiter innen an der Wand. Er drehte ihn, und das Licht fiel von oben über die Bücher. Winter zog die Hand zurück, sah zum Schreibtisch und wieder zur Lampe.
    Heute Nachmittag hatte er in diesem Raum gestanden. Denk nach. Denk nach, Erik. Hatte die Lampe so ausgesehen wie jetzt? Denk nach. Er war ein paar Schritte auf den Schreibtisch zugegangen. Dann hatte er aus dem Fenster gesehen und ein paar Möwen über ein paar Masten kreisen sehen. Wo hatte er gestanden?
    Winter ging ein paar Schritte vor. Ungefähr hier. Hier hatte er gestanden. Er sah zum Schreibtisch, zur Lampe und dann zum Fenster.
    Er konnte nur einen kleinen Teil des Fensters sehen.
    Den Rest verdeckte die Lampe. Es war eine bestimmte Perspektive. Als er am Tag zuvor hier gewesen war, war die Lampe nicht so eingestellt gewesen, wie sie jetzt war. Da war er sicher. Jetzt erinnerte er sich, wie es auf dem Schreibtisch ausgesehen hatte. Das konnte er gut. Das war sein Job, und er war ein Star in seinem Job.
    Winter drehte sich langsam den Büchern und den Türen zum Esszimmer zu.
    Jemand war an diesem Abend hier gewesen.
    Jemand hatte etwas gesucht.
    Vielleicht dasselbe, was er jetzt auch suchte, das zu suchen er nachmittags hergekommen war, bevor ihn Ringmars Telefonanruf unterbrach.
    Das Telefon klingelte in seiner Jackentasche. Er spürte die Vibration.
    Die Nummer auf dem Display kannte er.
    »Mein Gott, Bertil, du schon wieder. Ich stehe hier und versuche nachzudenken.«
    »Wo stehst du?«
    »In Hirschmanns Arbeitszimmer. In seinem Haus.«
    »Um diese Uhrzeit?«
    »Warum rufst du zu dieser Uhrzeit an?«
    »Also, hör mal
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