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Winterland

Winterland

Titel: Winterland
Autoren: Åke Edwardson
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ganz wach«, sagte Ringmar.
    Winter hörte Geräusche bei dem Kollegen, raschelnde Bettlaken.
    »Ich bitte Birgitta um Entschuldigung, falls ich sie geweckt habe«, sagte Winter.
    »Sie ist nicht zu Hause«, sagte Ringmar. »Sie übernachtet bei Moa und hängt Gardinen auf und so. Das Mädchen hat endlich eine Wohnung gefunden.«
    »Da kann man ja nur gratulieren«, sagte Winter.
    »Allerdings«, stimmte Ringmar zu, »aber dabei ging die Altersvorsorge drauf.«
    »Jetzt komme ich nicht mehr mit, Bertil.«
    »Wie steht es denn mit den schnellen Gedanken, Herr Kommissar?«
    »Du hast ihr eine Wohnung gekauft?«
    »Antwort lautet ja.«
    »Verstehe.«
    »Nee, so was versteht einer wie du nicht«, entgegnete Ringmar. »Ihr werdet niemals die wirtschaftlichen Widrigkeiten für uns hier am unteren Rand der Gesellschaft verstehen.«
    »Aha, nun geht es also Klasse gegen Klasse, Bertil.«
    »Da kannst du Gift drauf nehmen, du Kapitalistenschwein.«
    »Du wirst es schon schaffen, noch eine Rente zusammenzuarbeiten, mein Guter.«
    »Haha.«
    »Denk doch, wie Moa sich jetzt freut. Denk an ihre Zukunft. Wie sie sich zu einem freien und selbständigen Menschen entwickeln wird.«
    »Ein freier und selbständiger Proletarier«, brummte Ringmar. »Es ist heute verdammt hart für eine Fünfundzwanzigjährige.«
    »Die Wohnungssituation in der Stadt ist nicht gut.«
    »Ich freue mich, dass du meiner Ansicht bist«, sagte Bertil.
    »Was ist denn deine Meinung über Mona Lisa?«, fragte Winter.
    »Jetzt komme ich nicht mehr mit«, bekannte Ringmar. »Und das, obwohl ich hellwach bin.«
    »Das Lächeln der Mona Lisa, Bertil. Ist das ein Lächeln?«
    »Ich bin richtig froh, dass du mich mitten in der Nacht angerufen hast, um mir diese Frage zu stellen«, sagte Ringmar.
    »Das hat etwas mit Charlotte Sander zu tun«, erwiderte Winter.
    »Natürlich.«
    »Ich meine es ernst.«
    »Das meint der 60-prozentige Glenfarclas auch.«
    Winter sah auf die Flasche, die vor ihm stand. Es war noch ziemlich viel drin. Er hatte den Pegel heute Abend um einen Zentimeter gesenkt, vielleicht um zwei. Mit Bertil hatte er ihn schon einmal um erheblich mehr verringert.
    »War es ein Lächeln, das Charlotte Sander im Gesicht hatte?«, fragte Winter.
    »War es ein Lächeln, das Leonardo in Mona Lisas Gesicht gemalt hat?«, fragte Ringmar zurück, »oder war es Erstaunen?«
    »Das ist genau die Frage«, sagte Winter.
    »Ich sehe trotzdem den Zusammenhang nicht«, sagte Ringmar.
    »Charlottes Gesicht sagt uns etwas darüber, wie sie starb«, sagte Winter. »Und warum.«
     
    Charlotte Sander. Sie hatte allein in einer Wohnung in einem der südlichen Vororte gelebt. Die Häuser waren ungefähr vor vierzig Jahren gebaut worden, und um die Zeit war Charlotte Sander auch geboren worden. Auch Winter war um diese Zeit geboren worden. Das war der Übergang von der alten zur neuen Zeit gewesen. Winter gehörte zur neuen Zeit. So wie Charlotte Sander, doch die gehörte jetzt zur Ewigkeit.
    Allein gelebt. Manchmal war ihm, als würde er sich in einer Welt bewegen, die den Einsamen gehörte. Das waren so viele, dass sie fast schon wieder eine eigene Gemeinschaft bildeten. Einen Club, der niemals irgendwelche Versammlungen abhielt. Eine Vereinigung ohne Satzung und ohne Vereinslokal.
    Einsame Menschen, die in ihren einsamen Wohnungen ein und aus gingen. Das war auch sein Leben gewesen, allerdings in einer selbst gewählten Einsamkeit. So hatte er es jedenfalls immer gesehen.
    Doch als er schließlich angefangen hatte, mit anderen Menschen zusammenzuleben, hatte er begriffen, dass er sich immer selbst betrogen hatte.
    Wie war das wohl für Charlotte Sander gewesen? Hatte sie sich auch selbst betrogen? Hatte sie irgendeine Wahl gehabt? Eine Wahl, von der Winter glaubte, dass er selbst sie einmal gehabt hatte?
    Er ging über das Feld. Es begrenzte die Siedlung von dreistöckigen Häusern, die wie eine unregelmäßig hohe Mauer gebaut worden waren. Die Häuser waren für die Zukunft gebaut worden, in dem Glauben, dass sich einmal andere Häuser zu der kleinen traurigen Gruppe gesellen würden, um eine eigene Stadt zu bilden oder wenigstens den Teil einer großen Stadt, einen richtigen Teil. Jetzt standen die Bruchbuden nur da wie ein unfertiger Gedanke, der auf dieses verdammte Feld gekippt worden war, über das Winter jetzt lief, nachdem er den Parkplatz überquert hatte, der auf das andere Ende des Feldes gefallen war.
    Er sah, wie ein Bus von Norden kam und an der Haltestelle
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