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Winterland

Winterland

Titel: Winterland
Autoren: Åke Edwardson
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Djanali gesagt.
    »Warum sieht sie so friedlich aus?«, hatte Winter mehr zu sich selbst gesagt. »Oder ist es etwas anderes?«
    »Fast wie ein Lächeln«, hatte Aneta Djanali gesagt.
     
    Winter war den Pfad nicht zurückgelaufen.
    »Wir sperren das Feld ab«, sagte er zu den Leuten von der Spurensicherung.
    Einer von ihnen murmelte etwas.
    »Was gibt’s?«, fragte Winter mit scharfer Stimme.
    »Nichts, Chef. Nichts.«
    »Na, immer mit der Ruhe«, sagte der andere.
    Aber er wollte keine Ruhe, nicht jetzt. Es gab viel zu viele Leute, die zur falschen Zeit mit Ruhe kamen, und die Stress machten, wenn es darauf ankam, lockerzulassen. So wie jetzt. Er versuchte, sich zu entspannen, als er wieder im Dunkeln in Charlottes Wohnung stand und zu dem schwachen Licht auf der anderen Seite des Feldes hinüberschaute. Und als er den Wind hörte und sich vorzustellen versuchte, was hier drinnen vor zwei Tagen geschehen war, oder warum es geschehen war. Dieses verdammte Warum, auf das man nur so selten eine Antwort bekam, und das doch als Einziges zu einer Lösung führte. Oder zu einem Teil der Lösung. Was auch immer eine Lösung war. Er hatte Fälle gelöst, Rätsel, alle Antworten gefunden, Ermittlungen durchgeführt, die als Musterbeispiele auf der Polizeihochschule verwendet werden konnten und vielleicht sogar schon auf dem Lehrplan standen. Doch in einigen Fällen war er mit all seiner Geschicklichkeit gescheitert. Er hatte Operationen erfolgreich durchgeführt, bei denen der Patient gestorben war.
    Solche Dinge hatten ihn zweifeln lassen, manchmal an allem. An den Menschen.
    Er sah sich in der dunklen Wohnung um, die vom Licht der Winternacht draußen wie verrußt schien. Hier hatte ein Mensch gelebt. Hier war er einem anderen Menschen begegnet. Eins plus eins. Einen Moment lang waren sie zwei geworden, und dann wieder nur eins. Eins plus eins gibt eins.
    Winter sah wie blind aus dem Fenster. Vielleicht war er jetzt da draußen. Vielleicht hatte er Winter über das Feld laufen sehen, hatte ihn zurückkommen und wieder durch die Tür gehen sehen.
    Es war nicht ungewöhnlich, dass Mörder zurückkehrten. Sie suchten noch etwas, etwas mehr.
    Vielleicht war das ein Warum.
    Winter trat näher ans Fenster, von der Wand weg.
    Fünfzig Meter weiter rechts stand eine Straßenlaterne. Sie warf ein blaues Licht über den Platz vor dem Haus, das jedoch nicht weit reichte.
    Am Rand des Feldes stand eine Gestalt, in Winters Blickfeld weit draußen nach links.
    Das war kein Baum, da gab es keine Bäume.
    Die Gestalt bewegte sich.
    Das konnte irgendjemand sein.
    Winter stürzte die Treppen hinunter.
    Er eilte über den Platz vor dem Haus.
    Dort war niemand. Er horchte auf Schritte, hörte aber keine. Sah keine Gestalt draußen auf dem Feld, das jetzt wie ein schwarzes Meer wirkte. Das Einzige, was er hörte, war der Wind.
    Er blickte wieder zum Haus. In der Wohnung über der von Charlotte brannte Licht, ebenso in einigen Fenstern über den anderen Eingängen. Sie hatten alle verhört, die in diesen stummen Häusern wohnten. Keiner wusste etwas. Sie konnten sich nicht einmal an Charlotte Sander erinnern. Man musste es ihnen glauben, sie hatten gefragt und gefragt.
    Es war, als hätte es sie nie gegeben.
    Winter kehrte in die dunkle Wohnung zurück. Er stellte sich ans Fenster, so dass man ihn nicht sehen konnte, doch da draußen bewegte sich nichts, nicht einmal der Wind wehte über das Feld. Er sah keinen Menschen. Dann beschloss er, die Stehlampe am Sofa anzuschalten. Das Licht verstärkte die Farben im Raum. Charlottes rotes Telefon leuchtete auf dem Sofatisch wie eine Fackel. Und plötzlich klingelte es.
     
    Er hatte sich umgedreht und eine schnelle SMS an die Leitzentrale geschickt, dann war er zum Telefon gegangen und hatte mitten im fünften Klingeln den Hörer abgenommen. Die einzigen Fingerabdrücke, die es darauf gegeben hatte, waren die von Charlotte gewesen.
    »Hallo? Hallo?«
    Er hörte das Sausen des Windes in den Leitungen, jetzt etwas deutlicher und gröber. In einer Pause hörte er etwas anderes.
    »Wer ist da?«, fragte er. »Wer ruft an?«
    Dann wieder die schwere Stille.
    Wieder ein Atmen.
    Ja. Ein Atmen.
    Dann war es weg. Nur noch der Wind war da.
    Winters Handy klingelte. Während er ranging, hielt er immer noch Charlottes Telefonhörer an sein rechtes Ohr.
    »Es ist weg«, sagte der Kommissar vom Dienst.
    »Ich hab es gehört.«
    »Wir hätten, na ja, Sie wissen ja, etwas mehr Zeit gebraucht.«
    »Ich will hier
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