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Winterland

Winterland

Titel: Winterland
Autoren: Åke Edwardson
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Januartag draußen, wie etwas, was es kaum gab. Ringmars Lächeln schaffte es kaum bis auf seine Lippen.
    »Diese Briefe, die sie als Kind geschrieben hat«, begann Winter und machte eine Geste zum Schreibtisch hin, »wenn sie sie denn geschrieben hat. Die hat sie ja aus einem Ferienlager geschrieben.«
    »Was sagen Beiers Leute?«, fragte Ringmar.
    »Wozu?«
    »Ob es ein Kind war, das die Briefe geschrieben hat?«
    »Sie sind mit der Altersbestimmung des Papiers und der Tinte noch nicht fertig. Das ist schwierig. Sie sagen, es sei noch nicht genug Zeit vergangen. Und was das Alter des Briefschreibers angeht, so habe ich gerade einen Handschriftenexperten darangesetzt.«
    »Genügt da nicht eine Grundschullehrerin?«
    »Sie ist Grundschullehrerin«, sagte Winter und merkte, dass er jetzt auch ein wenig lächelte. »Auch.«
    »Du sagst, sie habe aus einem Ferienlager geschrieben?«
    »Ja.«
    Winter wandte sich vom Fenster ab, ging zum Schreibtisch und nahm eines der Papiere in die Hand, die Kopien der Briefe waren, die gerade von der Spurensicherung untersucht wurden.
    »Du hast sie doch selbst gelesen«, sagte er und sah auf.
    »Es klingt doch wie aus einem Ferienlager.«
    »Könnte auch ein Kinderheim gewesen sein«, gab Ringmar zu bedenken.
    »Ja.«
    »Oder eine reine Phantasie.«
    »Wenn sie als Kind in einem Ferienlager war, dann werden wir es schon rauskriegen«, sagte Winter.
    »Eine Abwechslung zum Kinderheim«, sagte Ringmar, diesmal ohne Lächeln. »Wer sind denn die Tante und der Onkel?«
    »Die Einzigen, an die wir uns hätten wenden können, sind tot«, sagte Winter. »Die Adoptiveltern.«
    »Wer ist es, der ihr nicht mehr schreiben soll?«, fragte Ringmar.
     
    Es gab ein Ferienlager. Es lag an einem See. Das Kinderheim mietete sich zweihundertfünfzig Kilometer südöstlich von Göteborg entfernt in ein Ferienlager ein. Den Unterlagen nach war Charlotte zwei Sommer in Folge dort gewesen.
    Winter und Ringmar waren schweigend in Winters Auto dorthin gefahren. Sie hatten Sketches of Spain angehört und in eine gefrorene Landschaft gestarrt, die von der verbrannten Erde des Südens weit entfernt war.
    Als sie sich dem Hochland näherten, fiel Schnee. Es schien der erste Schnee zu sein, aber der Schneefall hatte schon aufgehört, ehe er es geschafft hatte, auf der Erde Spuren zu hinterlassen.
    Jetzt fuhren sie über einen Waldweg, der grobe Spurrillen von Traktorenreifen aufwies. Auch die Spurrillen waren gefroren, und die Unebenheiten ließen das Auto wie ein Schiff schlingern.
    Dann öffnete sich eine Waldlichtung, und sie sahen einen See, an dem ein zwei Stockwerke hohes Holzhaus stand, flankiert von zwei langen Gebäuden, die wie Baracken aussahen. Draußen auf dem See war das Wasser nicht gefroren, eine langsame und schwere Bewegung, wie von Stahl. Zum Ufer hin hatte sich Eis gebildet, so regungslos, als wäre es vertäut. Ein paar Ahornbäume breiteten ihre toten Äste zum Lederhimmel aus.
    Winter parkte auf dem Hofplatz vor dem großen Gebäude. Sie stiegen aus. Winter glaubte, vom See her ein Geräusch wie von Flügeln zu hören.
    An einem Gestell auf dem gefrorenen Gras am Ufer schwang langsam eine Schaukel. Daneben stand eine Rutsche, deren blanke Rinne wie Eis glänzte. Ein altertümlich aussehendes Karussell stand still, die meiste Farbe war in Wind und Wetter abgeblättert.
    »Die sind inzwischen verboten«, sagte Ringmar und nickte zu dem Karussell hin.
    »Wieso das denn?«, fragte Winter.
    »Die Kinder können mit einem Schal oder so hängen bleiben und unter die Platte gezogen werden«, sagte Ringmar und ging hin und versuchte, das Karussell in Gang zu bringen. Es bewegte sich nicht, denn es war auch am Boden festgefroren. »Es sind da wohl ein paar Unfälle passiert. Aber das Karussell hat wirklich Spaß gemacht. Da kriegte man ein unglaubliches Tempo drauf.«
    »Das konnte ich nie ausprobieren«, sagte Winter.
    »Tut mir Leid für dich«, entgegnete Ringmar. »Das ist eben die Strafe der späten Geburt.« Er ließ das kalte Metall los. »Aber so ist dir wenigstens die Kotzerei erspart geblieben. Nach fünfzig Runden haben wir alle gespuckt.«
    »Hoffentlich nicht während der Fahrt.«
    Ringmar antwortete nicht.
    »Vielleicht sind sie deshalb verboten worden«, meinte Winter.
    Ringmar antwortete immer noch nicht. Er machte eine Kopfbewegung zu etwas hinter Winter.
    »Diese Tür da steht offen«, sagte er.
    Winter wandte sich um. Eine der Glastüren zum Hauptgebäude schien angelehnt zu sein,
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