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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Autoren: Juergen Kehrer
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Luft im Büro war warm und stickig. Ich riss ein Fenster auf, und ein Schwall ozongesättigten Verkehrslärms knallte mir um die Ohren. Neben allen anderen Missständen wirkte sich auch die Tatsache mietmindernd aus, dass knapp fünf Meter unter meinem Fenster eine Ampelanlage die Legende von der Beschaulichkeit Münsters Lügen strafte. Nachmittags, wenn sich der Verkehr endlos staute und nervöse Autofahrer mit ihren Hupen spielten, fühlte ich mich wie auf einem Autofriedhof.
    Ich blätterte die Post durch, ein paar Mahnbriefe und eine Glücksbotschaft, die ich nur noch abzunibbeln brauchte, und hörte den Anrufbeantworter ab. Frau Schulze Büschen, wer sonst. Als ich vorgestern die saftige Spesenabrechnung eingetütet hatte, war mir klar gewesen, dass sie nicht widerspruchslos zahlen würde.
    Ich warf den 286er an. Er machte nicht so viel her wie die schicken Notebooks, die die adretten jungen Privatdetektive mit sich rumschleppten, aber für meine Zwecke reichte er vollkommen. Ich rief die Datei »schulzeb« auf. Nichts geht über korrekte Buchführung. 1200 Mark plus fünfzehn Prozent Mehrwertsteuer standen bei Frau Schulze Büschen offen.
    Was ich ihr sagte, als sie nach dem ersten Klingeln den Hörer in der Hand hielt.
    »Wissen Sie, was Sie mich gekostet haben, ohne das, was Sie jetzt schon wieder verlangen?« Sie wartete meine Schätzung nicht ab. »Zweitausend Mark. Und habe ich dafür meinen Schimmy zurückbekommen? Nein. Ich würde Ihnen gerne diese tausenddreihundertachtzig Mark zahlen, wenn Schimmy hier vor mir stünde. Alle Ihre Versprechungen, dass es nur noch ein paar Tage dauern würde, sind doch ... doch nichts weiter ...« Sie fing an zu weinen.
    »Die Sache hat sich schwieriger gestaltet, als ich anfangs dachte«, gab ich zu.
    »Und Sie wollen Experte sein«, heulte sie auf.
    »In der Tat, Frau Schulze Büschen. In den letzten zwölf Monaten habe ich drei Hunde und zwei Katzen zu ihren Familien zurückgeführt. Das ist eine Erfolgsquote von neunundsechzig Prozent.« Das war improvisiert, aber in diesem Zustand konnte ich ihr die Wahrheit nicht zumuten.
    »Und hier«, schnappte sie nach, »Fahrtkosten für vierhundert Kilometer. Ich wusste gar nicht, dass es in Münster so viele Straßen gibt.«
    »Ja, sehen Sie, zunächst habe ich mich auf das eigentliche Stadtgebiet beschränkt. Aber es erwies sich als notwendig, die Suche auf die Vororte auszudehnen. Und, Sie können es glauben oder nicht, gestern habe ich einen entscheidenden Hinweis erhalten.«
    »Ja?«
    Ich hatte sie an der Angel. »Zwischen Gimbte und Gelmer hat ein Bauer einen Bobtail über den Acker laufen sehen.«
    »Schimmy?«, keuchte sie.
    »Mit hundertprozentiger Sicherheit lässt sich das nicht sagen. Andererseits – auf den umliegenden Bauernhöfen gibt es keine Bobtails. Ich habe das recherchiert.«
    »Mein armer Schimmy.«
    »Er ist sicher in einem schlechten körperlichen Zustand, entkräftet, das Leben in der freien Wildbahn nicht gewohnt. Ich müsste mich ein, zwei Tage auf die Lauer legen, am besten noch heute Nacht.«
    »Oh, tun Sie das, Herr Wilsberg! Bitte, tun Sie es!«
    »Ich würde ja gerne, Frau Schulze Büschen, aber ich muss an meine Firma denken. Die Kosten, Sie verstehen. Und wenn ausstehende Rechnungen nicht bezahlt werden ...«
    Sie schluckte. »Ich weiß nicht, ob ich die ganze Summe zusammenbekomme. Würde eine Anzahlung reichen?«
    »In welcher Höhe?«, fragte ich scharf.
    Ihre Stimme zitterte. »Sechshundert Mark.«
    Wir einigten uns auf siebenhundert. Dann gab ich einen Kurzbericht in den Computer ein und machte eine Notiz, die ich auf den Schreibtisch legte: Zum Tierasyl fahren!
    Es gab Privatdetektive, die es für unter ihrer Würde hielten, Hunde oder Katzen zu suchen. Ich konnte das gut verstehen. Schließlich hatte ich bis vor Kurzem zu ihnen gehört.
    Die Änderung meiner Einstellung erfolgte in dem Moment, als auf meinem Konto totale Ebbe herrschte. Wobei Ebbe noch ein euphemistischer Ausdruck für das tatsächliche Geschehen war. Denn im Grunde entstand dort, wo Geld sein sollte, ein negativer Sog, ein schwarzes Loch, in das der zuständige Filialleiter meiner Bank und ich mit wachsender Besorgnis blickten.
    Absolute Tiefpunkte haben allerdings den Vorteil, dass es nicht mehr abwärts, sondern nur noch aufwärts gehen kann. Inzwischen kam ich wieder in Sphären, in denen ich mir bedenkenlos eine Tasse Kaffee oder ein Paar neue Socken leisten konnte.
    Zwei entlaufene Hunde und eine streunende Katze
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