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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Autoren: Juergen Kehrer
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hatten und nun dringend eine Zugfahrkarte zurück nach München oder Puttgarden brauchten.
    Auf dem Weg zum Bahnhof war der Himmel ein wenig weniger blau und die Luft einen Hauch kühler gewesen, kleine weiße Wolken hatten sich gelegentlich vor die Sonne geschoben, und überhaupt sah es ganz danach aus, als würde die Dürrezeit sehr bald von der Regenzeit abgelöst, die man früher Herbst und Winter nannte.
    Der Kellner des Zugrestaurants nahm unsere Bestellungen auf, und ich grinste Stürzenbecher an: »Na, wie habe ich den Fall gelöst?«
    Er winkte lässig ab. »Ich hätte mir die Gottschlich schon noch vorgenommen, das kannst du mir glauben. Im Grunde war ich nie glücklich mit Rommersberger als Täter. Aber ich musste ihn festhalten, aus politischen Gründen. Meine Chefs und die Presse hätten mir sonst die Hölle heiß gemacht.«
    »Und aus politischen Gründen hättest du ihn auch vor Gericht gebracht.«
    Stürzenbecher zuckte kurz mit den Augenbrauen. »Das entscheidet der Staatsanwalt, nicht ich. Die Polizei ist nur das Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft. Die Gefahr bestand, das gebe ich zu.«
    »Und?«, fragte ich.
    »Was und?«
    »Ist das nicht der geeignete Moment, mir Dank für meine tätige Mithilfe auszusprechen?«
    »Mein Gott, Wilsberg, einmal in all den Jahren, die wir uns kennen, hast du etwas herausgefunden, was ich nicht schon vorher wusste, und ... von mir aus, wenn es dich glücklich macht: Ich danke dir, dass du mir weitergeholfen hast. Zufrieden?«
    Ich strahlte. »Darauf habe ich schon immer gewartet. Schade, dass ich mir die Worte nicht einrahmen kann.«
    Der Kellner brachte unser in der Mikrowelle aufgedampftes Essen, das reichlich sämig und natriumarm war, mit anderen Worten: nach nichts schmeckte.
    »Hat sie eigentlich gestanden?«, erkundigte ich mich, während ich in der Pampe stocherte.
    »Gabi Gottschlich? Die redet so schnell, dass wir kaum mit dem Tonbandwechseln nachkommen.« Stürzenbecher kaute genüsslich. Er war vom Polizeikantinenessen nicht besonders verwöhnt. »Jetzt, wo wir die offiziellen Danksagungen hinter uns haben, könntest du mir vielleicht verraten, wie du auf sie gekommen bist.«
    »Heiko«, sagte ich.
    »Heiko wer?«
    »Irgendein Heiko, ist nicht weiter wichtig und außerdem schon über zehn Jahre her. Die Zwei-Männer-und-eine-Frau-Geschichte.«
    »Ach. Und die Gottschlich war die Frau?«
    »Richtig geraten, Herr Hauptkommissar. Heiko und ich hätten uns beinahe die Köpfe eingeschlagen. Oder, um präzise zu sein – du kennst ja meine natürliche Agressionshemmung: er hätte mir den Kopf eingeschlagen. Und, wie soll ich sagen, im Nachhinein hatte ich das Gefühl, dass sie die Situation nicht nur provoziert, sondern auch genossen hat. Ihr Moral-und-Ethik-Zentrum im Gehirn ist ein bisschen unterentwickelt, im Mittelalter hätte sie bei Hinrichtungen immer in der ersten Reihe gestanden.« Und dann erzählte ich ihm meine Theorie von dem Motiv, das im Detail und nicht im Ganzen steckte.
    Stürzenbecher wirkte beeindruckt. »Nicht schlecht, Wilsberg. Du könntest glatt bei uns anfangen, ich meine, wenn du zwanzig Jahre jünger und nicht vorbestraft wärst.«
    »Danke. Von der Büroluft in Behörden kriege ich Asthma.«
    »Dachte ich auch mal.« Er nickte versonnen. »Die monatlichen Überweisungen und der Pensionsanspruch lassen einen vieles vergessen.«
    »Bitte!«, protestierte ich. »Das Essen ist schlecht genug. Worte wie Pensionsanspruch verursachen mir einen nervösen Magen.«
    »Du bist aber empfindlich«, kicherte er. »Asthma, nervöser Magen. Das Leben eines Selbstständigen ist nicht auf Rosen gebettet, wie?«
    Dann bestellte er ein zweites Bier und ich einen Kaffee. Die Streifschussverletzung unter dem dicken Verband am rechten Oberarm sandte einen pochenden Schmerz aus, aber ich verzichtete auf eine entsprechende Bemerkung. Schließlich kannte ich Stürzenbechers Humor.
    Trotzdem gluckste der Hauptkommissar schon wieder. »Sag mal, die Geschichte ist doch echt filmreif. Zwei Leichen, mehrere Verletzte. Einen Teil davon müssten die Filmfritzen im Kasten haben, den Schuss auf Becher zum Beispiel oder die Explosion der Stuntman-Karre. Wär das nicht was für eine Reality-TV -Sendung?«
    Ich zeigte ihm meine zigarillogegilbten Zähne. »Rat mal, wo ich heute Morgen war! Bei Kanal Ultra. Ich habe ihnen meine Mitarbeit angeboten. Die waren sofort begeistert. Sobald die Honorarfragen mit Karl-Heinz Becher und Katinka Muschwitz geregelt sind, kann die Sache
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