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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Autoren: Juergen Kehrer
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laufen.«
    Am nächsten Morgen sagte ich ganz automatisch: »Guten Morgen, Frau Herzog, wie geht es Ihnen?«
    Ein paar Schritte weiter fiel mir auf, dass die Antwort ausgeblieben war. Und beinahe gleichzeitig kam mir in den Sinn, dass die Gestalt, die sich über den Wischeimer beugte, ein wenig breiter und kleiner als Frau Herzog aussah. Ich drehte mich um.
    Ein rundes Gesicht, umrahmt von einer wetterfesten Dauerwelle, bestätigte meinen Verdacht.
    »Wollen Sie mich veräppeln? Ich heiße nicht Herzog.«
    »Äh, entschuldigen Sie, die Putzfrau, die ...«
    Die auseinandergezogenen Mundwinkel signalisierten Vergebung. »Ach so, Sie haben gedacht ...« Sie streckte ihre Hand aus. »Ich heiße Krukenkamp.«
    Verstohlen wischte ich das Putzwasser an der Hose ab.
    »Sie sind der Detektiv, nicht wahr? Der Chef hat mir von Ihnen erzählt. Hinter der Tür da, hat er gesagt, arbeitet der bekannte Detektiv Georg Wilsberg. Ich hab von Ihnen in der Zeitung gelesen. Das muss ja sehr spannend gewesen sein, im Gallitzin. Ich meine, die ganzen Leichen. Und dann die berühmte Schauspielerin Katinka Muschwitz. Meine Tochter ist ganz hingerissen von der. Wissen Sie, meine Tochter würde auch gerne reiten. Und in der Serie – wie heißt sie noch gleich? – hat die Katinka ein geschecktes Pony ...«
    Ich schaltete ab und wünschte mir sehnlichst, Frau Herzog hätte nicht gekündigt. In Zukunft würde ich unsere geschliffenen, dabei erfrischend knappen Dialoge vermissen.
    Als Frau Krukenkamp Luft holte, sagte ich rasch: »Ja, ich will dann mal an meine neuen Fälle gehen.« Und eilte so behände, wie das überdehnte Band im Knöchel es zuließ, zur Stahltür.
    Die Taste des Anrufbeantworters leuchtete gleichbleibend grün, also öffnete ich die magere Beute, die ich aus dem Briefkasten gefischt hatte. Eine lächerlich geringe Rechnung der Telekom, ein Mahnschreiben meines Steuerberaters, ein Werbebrief, der mir die Vorzüge von Etikettiermaschinen näherbrachte (»Für Mailing-Aktionen unverzichtbar!«), und eine Anfrage eines Fabrikbesitzers aus Harsewinkel, der wollte, dass ich sein Sicherheitssystem überprüfte und gegebenenfalls auf den neuesten Stand brachte.
    Ich warf den 286er an und schrieb einen nicht allzu knapp kalkulierten Kostenvoranschlag für die Überprüfung des Sicherheitssystems. Zwar hatte ich keine Ahnung von Sicherheitssystemen, war aber bereit, mich in kürzester Zeit einzuarbeiten.
    Anschließend entwarf ich den Abschlussbericht für Herrn Reichardt. Im blumigsten Verwaltungsdeutsch formulierte ich mein Bedauern, keinen schlüssigen Beweis für einen unsittlichen Lebenswandel seiner Noch-Ehefrau gefunden zu haben. Unaufgefordert fügte ich den Ratschlag hinzu, auf dem Verhandlungsweg zu einer Einigung mit Yvonne zu kommen. Schließlich verwies ich auf die Rechnung für meine bisherigen Bemühungen, die ich als Anlage beilegte. Dann tütete ich den Bericht und die Rechnung ein und legte sie neben den Brief an den verunsicherten Harsewinkeler Fabrikanten. Es war noch keine elf Uhr, viel zu früh für einen Besuch im Altdeutschen Grill, und ich fragte mich ernsthaft, was ich mit dem angebrochenen Vormittag anfangen sollte.
    Ein Blick in den Terminkalender verriet mir, dass in drei Tagen der nächste Besuchstermin im Gefängnis anstand. Eine Menge Zeit, um darüber nachzudenken, was ich Imke mitbringen konnte.
    Plötzlich klopfte es an die Fensterscheibe.
    Aus dem Klopfen wurde ein Prasseln. Dicke Regentropfen fraßen sich durch die Staubschicht auf dem Glas. Der Sommer war vorbei. Die lange münstersche Regenzeit hatte begonnen.
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