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Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss

Titel: Wilsberg 06 - Schuss und Gegenschuss
Autoren: Juergen Kehrer
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kann nur ein Beamter oder jemand, der seine Millionenerbschaft verjubelt.«
    Sie nickte. »Wenn ich mich hier umschaue, glaube ich, dass Sie Geld nötig haben. Das Einzige, worum ich Sie bitte, ist, dass Sie vorher mit meinen Kindern sprechen.«
    »Oh nein, Frau Reichardt, ich meine, Müller. Das kommt überhaupt nicht infrage.«
    »Bitte! Danach können Sie tun oder lassen, was Sie wollen. Ich werde Sie nicht mehr behelligen.«
    Die ältere Frau, die ich vor einigen Tagen gesehen hatte, war tatsächlich Frau Müller senior.
    »Mutter, kannst du uns bitte allein lassen«, forderte Yvonne sie auf, nachdem wir es uns im Wohnzimmer gemütlich gemacht hatten. Ich war ihr dankbar für diesen Vorschlag. Frau Müller senior weniger, wie man an ihrer Mimik ablesen konnte.
    Yvonne hatte mir Katharina, das zehnjährige Mädchen, und Christian, den achtjährigen Jungen, bereits vorgestellt. Nun saßen wir um den gläsernen Wohnzimmertisch herum und spielten Fremder Onkel kommt zu Besuch. Während mich Katharina neugierig beobachtete, saß Christian schmollend in der Sofaecke. Wahrscheinlich hielt er mich für den neuen Freund seiner Mutter und damit für einen Nebenbuhler.
    Yvonne lächelte verkrampft. »Kinder, wir müssen etwas Ernstes besprechen. Es geht darum, wo ihr in Zukunft leben werdet, bei mir oder bei eurem Vater.«
    »Aber wieso denn?«, fragte Katharina. »Ich dachte, das wäre klar.«
    »Nein, so klar ist das nicht. Ein Gericht entscheidet darüber. Es kommt darauf an, wer sich besser um euch kümmern kann, bei wem ihr besser aufgehoben seid und so weiter. Natürlich werdet ihr auch gefragt.«
    »Aber Mutti!«, sagte Katharina empört. Eine winzige Falte war auf ihrer Stirn zu sehen. »Wir wollen nicht zu Papi. Seine neue Freundin ist echt blöd. Die kann uns nicht leiden.«
    »Und was ist mit dir, Christian?«, fragte Yvonne.
    »Ist mir doch egal«, sagte der Junge trotzig.
    »Christian, ich möchte eine klare Antwort.«
    Er überlegte. »Wird der da bei uns wohnen?« Er guckte haarscharf an mir vorbei.
    »Nein. Herr Wilsberg hat Einfluss darauf, wie die Entscheidung ausfällt. Er arbeitet quasi für das Gericht.«
    Christian strahlte. »Dann will ich bei dir bleiben. Papi ist ja nett. Aber er hat so wenig Zeit. Und Petra mag ich auch nicht.«
    »In Ordnung, Frau Reichardt, das genügt«, sagte ich. »Können wir unter vier Augen reden?«
    Yvonne schickte die Kinder in den Garten.
    »Nun?« Sie schaute mich erwartungsvoll an.
    Ich seufzte. »Was soll ich sagen? Es tut mir ja leid, aber ...«
    »Das sagten Sie schon.«
    »Und daran hat sich nichts geändert.«
    »Wie viel zahlt Ihnen mein Exmann?«
    »Fünftausend.« Das lag nur knapp über der Wahrheit.
    »So viel habe ich nicht. Zumindest nicht im Moment.«
    »Frau Reichardt, es ist sinnlos ...«
    »Dreihundert im Monat könnte ich aufbringen.«
    Ich dachte nach. So schlimm war Fred auch nicht, dass ich es nicht ein weiteres Jahr mit ihm aushalten konnte. »Okay, ein Jahr lang.«
    Ein verschmitztes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Das sind nur dreitausendsechshundert. Gewähren Sie Rabatt?«
    »Weil Sie es sind, Frau Müller.«
    Zum Abschied gab ich ihr den Rat, Freund Werner anzuzapfen. Graulocke schien Geld genug zu haben. Und wenn sie ihm erzählte, dass ich ihn ebenfalls auf Zelluloid gebannt hatte ...

XVII
    Es war immer noch Hochsommer, und der Rhein hatte ausnahmsweise kein Jahrhunderthochwasser, als der ICE über die Rheinbrücke auf den Hauptbahnhof zurollte.
    Der drohende Zweizack des Domes bewachte den Bahnhofsvorplatz und die Klagemauer der Penner, die ihr Mahnmal gegen die Obdachlosigkeit auf der Domplatte errichtet hatten.
    Ich suchte mir ein billiges Hotel als Basislager. Nach dem Gallitzin war der Kulturschock natürlich vorprogrammiert, aber ich war doch erstaunt, wie viele Geschmacklosigkeiten man auf zwölf Quadratmetern konzentrieren kann. Ich überlegte, ob ich den professionellen Sterneverteilern die Einführung eines Minussterns vorschlagen sollte, verwarf den Gedanken dann allerdings wie ähnlich gute Ideen vor ihm, weil er mit Arbeit verbunden war.
    Dann legte ich das verschwitzte T-Shirt mitsamt der übrigen Kleidung ab, nahm eine kurze Erfrischungsdusche und kleidete mich in das kreativste Outfit, das ich in meinem Schrank gefunden hatte: ein zwei Jahre alter, beigefarbener Leinenanzug, dazu ein dickes weißes Baumwollhemd, das ich an den Ärmeln aufkrempelte. Nach einem prüfenden Blick in den halb blinden Spiegel redete ich mir
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